Varta-Aktie verliert fast 70%: Varta plant tiefgreifenden Kapitalschnitt

Der schwer angeschlagene Batteriekonzern Varta will in seinem Überlebenskampf die Altaktionäre aus dem Unternehmen drängen. Zudem sollen Gläubiger auf einen Großteil ihres Geldes und ihrer Forderungen verzichten – unter ihnen formiert sich bereits Widerstand gegen die Sanierungspläne. Varta kündigte am Sonntagabend in Ellwangen an, kurzfristig beim zuständigen Amtsgericht Stuttgart ein Schutzschirmverfahren nach dem Gesetz zur Stabilisierung und Restrukturierung von Unternehmen (StaRUG) anzumelden. Damit soll eine möglicherweise drohende Insolvenz von Varta nachhaltig abgewendet werden.

Geplante Restrukturierung trifft Aktionäre und Gläubiger 

Die jüngsten Entwicklungen verschärfen die Lage für die Aktionäre erheblich. Die angestrebte finanzielle Restrukturierung der Varta AG geht eindeutig zu Lasten der bestehenden Aktionäre und Gläubiger.

Varta ist seit längerer Zeit schwer angeschlagen. Das einst brummende Geschäft mit wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Knopfzellen, unter anderem für die damals boomenden kabellosen Kopfhörer, musste wegen der Konsumzurückhaltung und der Konkurrenz aus Asien herbe Rückschläge hinnehmen. Auch mit Wallboxen zum Speichern von Strom, unter anderem zum Aufladen von Elektroautos, kam das Geschäft nicht richtig in Schwung. Der Aktienkurs befindet sich seit geraumer Zeit auf Talfahrt.

Varta ging 2017 für 17,50 Euro an die Börse und war lange gefragt. Anfang 2021 stieg der Kurs auf 181,30 Euro. Seitdem ist der Kurs allerdings eingebrochen. Am gestrigen Montag wurden die Papiere zuletzt nur noch mit 3,65 Euro gehandelt. Der Wert des Unternehmens an der Börse lag damit nur noch bei rund 155 Millionen Euro. Etwas mehr als die Hälfte der Aktien hält die Montana Tech Components, die wiederum dem Aufsichtsratsvorsitzenden Michael Tojner gehört.

Herabsetzung des Grundkapitals

Während die Mitteilung vom Sonntag die Sicherung der Arbeitsplätze und den Schutz der Gläubigerinteressen in den Vordergrund stellte, enthielt sie für die bisherigen Aktionärinnen und Aktionäre eine bittere Nachricht: Die beiden der Gesellschaft vorliegenden Sanierungsvorschläge sehen eine vereinfachte Herabsetzung des Grundkapitals der Gesellschaft auf null Euro in Verbindung mit einer anschließenden Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechtes und unter Ausgabe neuer Aktien vor.

Da es nach Einschätzung von Varta unwahrscheinlich ist, dass die bestehenden Aktionärinnen und Aktionäre dem entschädigungslosen Verlust ihres gesamten Aktienpaketes und dem vollständigen Ausschluss aus der Gesellschaft mit der erforderlichen Mehrheit von 75 Prozent des anwesenden Grundkapitals zustimmen werden, soll das Gesetz zur Stabilisierung und Restrukturierung der Unternehmen (StaRUG) zur Anwendung kommen.

Dieses sieht vor, dass einzelne Aktionäre oder Gläubiger keine Rechte mehr haben, um den Fortbestand eines operativ überlebensfähigen Unternehmens nicht zu gefährden. Dazu gehöre auch ein Schuldenschnitt, dem die Gläubiger laut Mitteilung aber nur zustimmen würden, wenn das Eigenkapital auf Null reduziert werde.

Immenser Finanzbedarf

Varta hat einen Finanzbedarf im hohen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich. Um diesen zu decken, ist auch geplant, Finanzgläubiger und Investoren zu beteiligen. Dazu laufen derzeit Verhandlungen unter anderem mit dem bisherigen Mehrheitseigentümer Michael Tojner, der auch Vorsitzender des Aufsichtsrats ist, und mit dem Sportwagenhersteller Porsche AG, der zum Volkswagen-Konzern gehört.

Erst Anfang des Monats war gemeldet worden, dass die Volkswagen-Tochter mit Varta über eine Übernahme des Elektroauto-Batteriegeschäfts verhandelt. Die beiden Unternehmen sind enge Partner bei Hochleistungs-Batteriezellen.

Der Zuffenhausener Konzern bestätigte Verhandlungen: „Ziel unseres Engagements wäre es, diese Schlüsseltechnologie am Standort Deutschland zu halten“, hieß es. Eine gesunde finanzielle Basis von Varta sei dafür Voraussetzung: „Unter gewissen Umständen könnten wir uns vorstellen, uns an einer finanziellen Restrukturierung der Varta AG insgesamt zu beteiligen“. Die Zellen von Varta sollen in der Baureihe 911 zum Einsatz kommen.

Sanierung sieht Schuldenschnitt vor

Außerdem soll es einen Schuldenschnitt geben. Dem Vernehmen nach geht es um eine Summe von knapp einer halben Milliarde Euro, die Varta großen Gläubigern wie Banken und Hedgefonds schuldet. Gläubigervertreter setzen darauf, in die geplanten Rettungsschritte enger eingebunden zu werden.

Für Mehrheitseigentümer Tojner ist das Verfahren die einzige Möglichkeit, dem Unternehmen eine gute Perspektive zu geben. „Gemeinsam mit dem Management haben wir alle Alternativen auf den Prüfstand gestellt, die Entscheidung war keine leichte“, so Tojner. Wichtigstes Ziel sei die Reduzierung der Schuldenlast gewesen. Das Kapital reicht nicht aus, um den laufenden Betrieb zu sichern. „Wir müssen diesen Schritt gehen, um Varta eine Zukunft zu geben, um fast 4.000 Arbeitsplätze zu sichern und um das Unternehmen als Wirtschaftsfaktor in der Region und vor allem als Technologieträger für Europa zu erhalten“.

Nach Informationen aus Finanzkreisen stehen große Gläubiger, die von der geplanten Kapitalerhöhung ausgeschlossen werden sollen, dem heute skizzierten Plan skeptisch gegenüber. Nur dem bisherigen Mehrheitseigner und Porsche bliebe die Möglichkeit, nach dem Kapitalschnitt frisches Geld zuzuführen und damit weiter am Unternehmen beteiligt zu bleiben. Das widerspricht einer fairen Gleichbehandlung.

Diese ist aber nach Einschätzung der großen Gläubiger Voraussetzung dafür, dass das StaRUG-Verfahren überhaupt Aussicht auf Erfolg hat. Die Vorschläge der Großgläubiger, die bereits seit längerem vorliegen, wurden nach Informationen aus Kreisen bisher nicht ausreichend gewürdigt. 

Bei den Verbindlichkeiten von Varta gegenüber institutionellen Großkreditgebern wie Banken und Hedgefonds geht es dem Vernehmen nach um Konsortialkredite und Schuldscheine im Gesamtvolumen von knapp einer halben Milliarde Euro. Die Vertreter der Gläubiger wollen daher stärker in die geplanten Schritte zur Rettung des Unternehmens mit einbezogen werden.

Der angeschlagene Batteriekonzern Varta hat beim Amtsgericht Stuttgart ein sogenanntes vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren beantragt. Ein Gerichtssprecher bestätigte auf Anfrage, dass eine entsprechende Anzeige eingegangen sei.

Varta bricht um fast 70 Prozent ein – Kapitalschnitt droht

Der drohende Totalverlust hat am Montag die Varta-Anleger geschockt. Die Aktie fiel gleich zu Handelsbeginn auf ein Rekordtief von 2,102 Euro. Am Ende stand ein Minus von 68,51 Prozent auf 3,25 Euro zu Buche.

Varta könnte mit der angekündigten Maßnahme möglicherweise die Arbeitsplätze und den Fortbestand des Unternehmens sichern. Aber die angekündigte vereinfachte Herabsetzung des Grundkapitals der Gesellschaft (Kapitalschnitt) würde zu einem entschädigungslosen Ausscheiden der Aktionäre aus der Gesellschaft und zum Erlöschen der Börsennotierung der Aktien der Varta AG führen. Die angestrebte finanzielle Restrukturierung gehe eindeutig zu Lasten der bestehenden Aktionäre und Gläubiger.

Mit dem geplanten Schritt würden die bisherigen Aktionärinnen und Aktionäre ihre Beteiligung an Varta verlieren, ohne dafür eine Entschädigung zu erhalten. Experten gehen davon aus, dass Varta nun eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen werde, die kurzfristig angekündigt wird. Interessant dabei: Nach StaRUG könnte die Restrukturierung selbst ohne Zustimmung der Aktionäre umgesetzt werden.

Absturz nach Rekordhoch im Januar 2021

Varta kämpft heute ums nackte Überleben. Das spiegelt sich auch im Aktienkurs wider, der Ende Januar 2021 noch ein Rekordhoch von über 180 Euro erreicht hatte. Allerdings war der vorangegangene Kursanstieg auch auf Marktverzerrungen zurückzuführen. Kleinanleger hatten die Varta-Aktie wie GameStop oder AMC in die Höhe getrieben. Doch den folgenden Absturz hatte der Batteriekonzern selbst verschuldet.

Den ersten richtig steilen Absturz erlebte Varta im September 2022, nachdem das Traditionsunternehmen aus Ellwangen seine erst im August gesenkten Jahresziele angesichts steigender Energie- und Rohstoffpreise kassiert hatte. Zusätzlich hatten sich Großaufträge verzögert, die Nachfrage schwächelte und die Sorge vor Batteriekonkurrenz in der damals neuesten Generation der Apple AirPods Pro war aufgekeimt. Das Unternehmen rutschte in die Krise.

Im April dieses Jahres folgte ein erneuter starker Kurseinbruch und knapp einen Monat später der Ausschluss aus dem SDAX. Im Frühjahr hatte Varta dann mitgeteilt, dass die Anstrengungen zur Sanierung des Unternehmens nicht mehr ausreichen. Das Unternehmen bat seine Geldgeber deshalb nochmals um Hilfe – nach einer bereits erfolgten Kapitalspritze von mehr als 50 Millionen Euro im Frühjahr 2023. Dann vereitelte ein Hackerangriff auch noch die fristgerechte Veröffentlichung des geprüften Jahresfinanzberichts.

Schock für Altaktionäre

Nach den ersten Meldungen über einen Einstieg von Porsche bei Varta hofften Altaktionäre noch auf einen finanziellen Befreiungsschlag. Nun gleicht das drohende Wortungetüm „Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz“ einem Schlag ins Gesicht. Viele der bisherigen Aktionäre haben Varta tapfer in die Insolvenz begleitet, doch von einer Sanierung des 2017 an die Börse gebrachten Unternehmens würden nach dem aktuellen Plan nur noch andere profitieren.

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