Tarifpoker bei VW: Warnstreiks – IG Metall fordert Einlenken der Konzernleitung

Im Streit um milliardenschwere Einschnitte drohen bei Volkswagen noch im Dezember Arbeitskämpfe. Auch nach drei Verhandlungsrunden ist im Tarifkonflikt beim kriselnden Autobauer noch keine Lösung greifbar. Nach fünfstündigen Verhandlungen erklärte der Verhandlungsführer Thorsten Gröger in Wolfsburg, dass die IG Metall sich nun auf Warnstreiks ab Dezember vorbereitet. Der Tarifpoker bei VW geht in die nächste Runde.

Fortsetzung der Gespräche im Dezember

Beide Seiten betonten, dass die Tarifgespräche nicht gescheitert sind. Die Verhandlungen werden am 9. Dezember fortgesetzt. Die Positionen der beiden Seiten liegen jedoch nach wie vor weit auseinander. Werksschließungen und Massenentlassungen sind immer noch ein Thema, weshalb die IG Metall den Druck auf die Konzernleitung erhöhen will.

Am 1. Dezember endet die Friedenspflicht bei VW. Ab will die Gewerkschaft die Beschäftigten an allen VW-Standorten zu Warnstreiks aufrufen. Die IG Metall stellt sich schon jetzt auf einen Arbeitskampf ein, wie ihn die Bundesrepublik seit Jahrzehnten nicht erlebt hat.

Kundgebung vor dem Verhandlungssaal

Schon vor Beginn der Tarifrunde hatten sich Tausende von Arbeitnehmern vor dem Verhandlungssaal versammelt und gegen die von Volkswagen geplanten Einsparungen protestiert. Laut IG Metall waren mehr als 7.000 Kundgebungsteilnehmer vor Ort. Sie waren aus allen zehn deutschen VW-Werken in Niedersachsen, Hessen und Sachsen nach Wolfsburg gekommen.

Betriebsratschefin Daniela Cavallo erklärte, dass dies nur ein Vorgeschmack auf das sei, was ab Dezember passieren wird, wenn VW die konkreten Lösungsvorschläge der Gewerkschaft nicht ernst nimmt. Auf Transparenten forderten die Kundgebungsteilnehmer unter anderem „Zukunft statt Kahlschlag“ und „Alle Werke müssen bleiben“. Bezüglich der möglichen Warnstreiks skandierten Sprechchöre: „Wir sind bereit.“

Einigung vor Weihnachten möglich?

Vor der dritten Verhandlungsrunde hatte die IG Metall von einer allerletzten Chance für Volkswagen gesprochen, um noch vor Ablauf der Friedenspflicht zu einer guten Lösung zu kommen, die ohne Werksschließungen und Massenentlassungen auskommt. Die Gewerkschafter hoffen auf eine Einigung noch vor Weihnachten. Doch damit das gelingt, muss VW sich bewegen.

Bei der heutigen Tarifrunde signalisierte VW, dass man das Zukunftskonzept von IG Metall und Betriebsrat prüfen wolle. Der Vorschlag berücksichtigt, dass die Kosten gesenkt werden sollen, kommt aber ohne Werksschließungen und Entlassungen aus. Die Arbeitgeberseite signalisierte Gesprächsbereitschaft auf Basis der Vorschläge.

Das Unternehmen betont, dass man gemeinsam mit der Arbeitnehmerseite eine nachhaltige Lösung erarbeiten möchte, die wirtschaftliche Stabilität schafft, Beschäftigungsperspektiven sichert und die Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Beschäftigung wiederherstellt. Der Vorschlag der IG Metall wird nun dahingehend geprüft, ob er tatsächlich eine nachhaltige finanzielle Entlastung für das Unternehmen schafft und gleichzeitig klare Perspektiven für die Belegschaft bietet.

Gegenvorschlag der Arbeitgeberseite

Gewerkschaft und Betriebsrat haben am gestrigen Mittwoch ihren eigenen Plan für die Zukunft von VW präsentiert. Auch das Konzept der IG Metall sieht Entlastungen vor. Allein 1,5 Milliarden Euro entfallen auf die Arbeitskosten. Eventuelle Tariferhöhungen für die Jahre 2025 und 2026 werden bei diesem Konzept nicht ausgezahlt, sondern fließen in einen Fonds für flexible Arbeitszeitverkürzungen.

IG Metall und Betriebsrat betonen, dass man damit an die Grenze dessen geht, was der Belegschaft zumutbar sei. Im Gegenzug fordern sie den Verzicht auf Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen. Nun sind der Vorstand und die Aktionäre am Zug. Auch sie müssen einen Beitrag leisten. Geschieht das nicht, steht auch der vorgeschlagene Beitrag der Arbeitnehmer nicht mehr zur Debatte, erklärt die Arbeitnehmerseite.

Lohnerhöhung vs. Minus-Runde

Voraussetzung für die Zugeständnisse der Arbeitnehmer ist die Übernahme des jüngsten Pilotabschlusses für die Metall- und Elektroindustrie  der laufenden Tarifrunde zum VW Haustarif. Er sieht eine Lohnerhöhung um 5,1 Prozent in zwei Stufen vor. Bei VW wird nach Haustarif gezahlt, weshalb ein solcher Pilotabschluss nicht automatisch gilt. Derzeit besteht seitens der Konzernleitung keinerlei Bereitschaft, die Löhne zu erhöhen. Stattdessen wird eine „Minus-Runde“ gefordert. Diese würde eine pauschale Kürzung der über dem Branchentarif liegenden Löhne um zehn Prozent bedeuten.

Die rund 120.000 Beschäftigten an den sechs großen westdeutschen Standorten von VW in Niedersachsen und Hessen werden nach dem VW-Haustarif entlohnt.

Lösungen ohne Entlassungen und Werksschließungen

In Bezug auf mögliche Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen hat VW bereits signalisiert, dass man auch Lösungen ohne Entlassungen und Werksschließungen in Betracht ziehen möchte. Bedingung ist allerdings, dass die von VW definierten Sparziele auch mit diesen Lösungen erreicht werden.

Die Kernmarke Volkswagen kämpft seit Jahren mit hohen Kosten und einer schwachen Rendite. Das Ziel der Sparmaßnahmen ist eine Steigerung der Rendite der Kernmarke auf 6,5 Prozent bis 2026. VW begründet dies insbesondere mit anstehenden Investitionen. So müssen beispielsweise neue Elektro-Modelle finanziert werden.

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