Thema Stiftung – Interview mit Manuel Blocher über die Gründe und Fallstricke
Laut dem Bundesverband Deutscher Stiftungen wurden im Jahr 2023 weniger Stiftungen in Deutschland errichtet, als in den drei Jahren zuvor. Dennoch erfreuen sich Stiftungen in gehobenen Kreisen immer größerer Beliebtheit. In unserem Interview mit Manuel Blocher von Rettig & Partner verrät uns der Stiftungs-Experte, was Stiftungen so interessant macht und welche Fehler man unbedingt vermeiden sollte.
Redaktion:
Herr Blocher, Sie sind Stiftungsberater – wie genau muss ich mir das vorstellen, wer wendet sich an Sie und warum?
Blocher:
Im Grunde bin ich überzeugt davon, dass die Stiftung noch viel zu wenig verstanden wird und daher noch zu unbekannt ist. Insbesondere für Unternehmer*innen oder vermögende Privatpersonen bzw. bei vermögenden Familien ist die Stiftung ein Vehikel, dass zumindest näher beleuchtet werden sollte und in der Vielzahl der Fälle dann auch Anwendung findet.
Die Gründe eine Stiftung zu errichten sind vielschichtig. Sie reichen vom Schutz des Vermögens bis hin zur steuerlichen Optimierung der Vermögenswerte. Oft möchten die Stifter eine Zersplitterung des Familienvermögens vermeiden oder auch für den Scheidungsfall eine entsprechende Vorsorge treffen. Mittlerweile werden ca. 50% der Ehen geschieden und neben der laufenden Steuer sind solche Ereignisse die wohl teuersten und vor allem schmerzhaftesten „Ausgaben“ von Unternehmer*innen. Auch die Erbschaft ist immer wieder ein zentrales Motiv, warum eine Stiftung errichtet wird. Neben der hohen steuerlichen Belastung kommen ggf. auch wirtschaftlich unerfahrene oder ungeeignete Erben hinzu.
Und genau hier setzt die Stiftung an: Ich kann mir einen „Erben nach eigenen Vorstellungen“ erschaffen, auf den ich einen Teil oder mein gesamtes Vermögen übertrage. Damit kann ich meinen Willen entsprechend langfristig und nachhaltig manifestieren und für einen „ewigen“ Erhalt und Ausbau des Familienvermögens und oft auch des Familienunternehmens Sorge tragen. Das Lebenswerk wird somit gesichert und die oftmals damit verbundenen Arbeitsplätze bleiben erhalten bzw. können weiter ausgebaut werden.
Redaktion:
Interessant, also haben Sie sozusagen mit den vermögendsten Menschen Deutschlands Kontakt. Klingt spannend. Aber wie wird denn eine Stiftung eigentlich errichtet?
Blocher:
In der Tat, die Arbeit ist sehr spannend und gleichermaßen herausfordernd bzw. komplex.
Bei der Errichtung einer Stiftung müssen vorab viele Einzelheiten und Details geklärt werden, um die richtige Strategie zu finden und vor allem um den Wunsch der Stifter*innen korrekt zu erfassen. Das beginnt mit einer sauberen Aufnahme aller Daten, Familienärenverhältnisse und Fakten und endet mit der rechtlichen Anerkennung der Stiftung durch die Aufsichtsbehörde. Dazwischen liegen viele Stunden Arbeit, persönliche Termine und vor allem Bürokratie.
Redaktion:
Was ist bei der Gründung einer Stiftung zu beachten?
Blocher:
In der Regel möchten meine Mandanten überwiegend privatnützige Stiftungen errichten, also sogenannte Familienstiftungen. Bei dieser Art von Stiftung ist der Übertrag des Vermögens von entscheidender Bedeutung. Werden an dieser Stelle Fehler gemacht können steuerliche Konsequenzen in beachtlicher Höhe entstehen. Beispielsweise haben wir dieses Jahr eine Familienstiftung mit ca. 9 Millionen Vermögensmasse ausgestattet, ohne dabei eine einzige Steuer auszulösen. Keine Ertragssteuer, keine Grunderwerbssteuer, keine Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer. Zugegeben, der Fall war sehr komplex und es würde den Rahmen sprengen jetzt auf alle Einzelheiten einzugehen. Aber um es kurz zu machen, wenn hierbei keine Experten am Werk sind, dann kann bei dieser Vermögenshöhe eine Steuer in Höhe von mehr als ca. 2.390.000€ ausgelöst werden.
Des Weiteren bleibt aber klar zu benennen, dass so etwas nicht in jedem Fall gänzlich steuerfrei gelingt. Das kommt wirklich auf Details im jeweiligen Fall an, wie man das so gestalten kann, dass es für die Stifter*innen im Kosten-Nutzen-Verhältnis bleibt.
Redaktion:
Das klingt für einen „Normalsterblichen“ nach wirklich sehr viel Vermögen. Für wen ist eine Stiftung geeignet, bzw. ab wann lohnt sich eine Stiftung?
Blocher:
Das kann man so pauschal nicht unbedingt beantworten. Laut Statistik vom Bundesverband deutscher Stiftungen wurden ca. 83% aller Stiftungen mit weniger als 1 Million € errichtet und ganze 36% sogar mit weniger als 100.000€. Bei den Treuhandstiftungen dürfte die Zahl nochmals deutlich höher liegen, leider gibt es hierzu keine Datenquelle.
Allerdings sollte man eine Stiftung zu Beginn entsprechend so vernünftig ausstatten, dass sie lebensfähig ist und ihren Zweck nachhaltig erfüllen kann. Leider kam es in der Vergangenheit vor, dass Stiftungen wieder aufgelöst werden mussten, da zu wenig Kapital vorhanden war. Das gilt es zu vermeiden und daher spüren wir auch den Trend bei den Behörden, dass künftige Stiftungen mit nur noch mit deutlich mehr Kapital anerkannt werden und das Kapital im Verhältnis zum Zweck genauestens geprüft wird, ob eine Stiftung damit lebensfähig ist.
Ab wann sich nun eine Stiftung lohnt ist ebenfalls eine sehr individuelle Frage. Für den einen lohnt es sich bereits 100.000€ Vermögen in eine Stiftung zu übertragen, um dieses langfristig zu konservieren, zu thesaurieren und damit auch vor einer potenziellen eigenen Insolvenz zu schützen oder vor der eigenen Gier. Für den anderen lohnt sich eine Stiftung erst wirklich ab einer jährlichen Steuererleichterung in Höhe von 50.000€ im Vergleich zum Ist-Zustand. Der Nächste möchte mit der Stiftung aus der gesetzlichen Erbfolge ausbrechen und die sogenannten Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche umgehen. Ich denke das kann man nicht an einer einzigen Zahl festmachen. Es kommt sehr stark auf die Umstände, die Motive und natürlich letzten Endes auch auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis an.
Redaktion:
Mit welchen Kosten muss man denn bei der Errichtung einer Stiftung rechnen?
Blocher:
Auch das lässt sich pauschal nicht vollumfassend beantworten. Die einzelnen Kostenarten können bzw. werden sein: Beratungskosten, Steuern, Kosten der Behörde zur Anerkennung und ggf. Notarkosten. Wie hoch diese Kosten sind lässt sich nur im Einzelfall erörtern. In den meisten Fällen sind bei einer Stiftungserrichtung die Steuern der höchste Kostenblock und um diese zu vermeiden bzw. zu reduzieren, benötigt es entsprechend kompetente Berater, die einem das überhaupt erst ermöglichen. Und auf der anderen Seite kann neben den Steuern auch ein Leichtigkeitsfehler bei der Erstellung der Satzung dazu führen, dass das Vermögen am Ende nicht so eingesetzt werden kann, wie eigentlich gewollt und das ist der Worst-Case.
Redaktion:
Wenn nun ein potenzieller Mandant zu ihnen kommt und sich für eine Stiftung interessiert, wie läuft das ab und auf welche Beratungskosten muss er sich einstellen?
Blocher:
Im ersten Schritt nehmen wir unverbindlichen Kontakt auf und schauen, ob die Motive zur Stiftung passen oder ob nicht eine andere Lösung in Frage käme. Dabei sprechen wir die Situation und die Wünsche des potenziellen Mandanten durch und können ihm auf dieser Grundlage ein Angebot zur Beratung in seiner Angelegenheit unterbreiten.
Da Sie explizit nach den Beratungskosten gefragt haben: für eine Stiftungsgründung sollte man sich auf ca. mindestens 15.000 – 30.000€ einstellen, je nach Komplexität und ob in Deutschland oder zum Beispiel in Liechtenstein gegründet wird. Aber wie gesagt, es hängt wirklich sehr stark vom Einzelfall ab.
Redaktion:
Was empfehlen Sie potenziellen Mandanten, die sich erst mal näher zur Stiftung informieren wollen oder es ohne Beratung tun wollen.
Blocher:
Für den Fall, dass sich jemand erst einmal umfassend zur Familienstiftung informieren möchte habe ich erst kürzlich ein Buch geschrieben. Das Buch trägt den Titel „Die Stiftungsholding“ und ist in einfach verständlichen Worten geschrieben. Neben der bereits vorhandenen Fachliteratur besticht es in seiner Klarheit und stellt diesen Komplexen Sachverhalt in möglichst einfacher Art und Weise dar. Darüber hinaus kann man sich bei der zuständigen Aufsichtsbehörde informieren oder vereinzelte Institutionen bieten auch die Möglichkeit von Online-Seminaren bzw. Webinaren an, an denen man in der Regel kostenfrei teilnehmen kann. Man darf sich auch an den Bundesverband deutscher Stiftungen wenden und vor allem für den Bereich der gemeinnützigen Stiftungen gibt es bei „Stifter für Stifter“ eine Vielzahl von Informationen.
Für den Fall eine Stiftung ohne entsprechende Beratung errichten zu wollen: Im Grunde könnte eine Stiftung, wie auch eine Aktiengesellschaft einfach so ohne Berater errichtet werden. Genauso wie man sich im Prinzip auch ein Tattoo selbst stechen könnte. Nur macht das keiner, außer man ist selbst ein erfahrener Tätowierer und das Tattoo ist an einer einfach zugänglichen Stelle. Andernfalls ist ein Fehler bei der Stiftung sogar noch unverzeihlicher als beim Tattoo. Es kostet wohl deutlich mehr und es kann nicht „einfach so“ überstochen bzw. rückgängig gemacht werden.
Redaktion:
Eine wirklich sehr anschauliche Erklärung. Herr Blocher, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen und unsere Fragen so ausführlich beantwortet haben.
Blocher:
Sehr gerne.
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