Aktienhandel verschiebt sich Richtung Handelsschluss
An den internationalen Aktienmärkten verschiebt sich das Handelsvolumen immer stärker in Richtung Handelsschluss. Dieser ungleich verteilte Aktienhandel hat Auswirkungen auf Anleger und Märkte.
Studie der Goethe-Universität zum Aktienhandel
An den New Yorker Börsen können Anleger an Börsentagen von 9:30 Uhr bis 16:00 Uhr Aktien handeln. Das entspricht 15:30 Uhr bis 22:00 Uhr deutscher Zeit. Doch diese Zeitspanne wird unterschiedlich intensiv genutzt. Mittlerweile wird etwa ein Drittel aller Aktiengeschäfte im marktbreiten US-Index S&P 500 in den letzten 10 Minuten der Öffnungszeiten getätigt. Tendenz steigend.
Ein ähnliches Muster zeigt sich auch in Europa. Die Studie „Shifting Volumes to the Close: Consequences for Price Discovery and Market Quality“ der Goethe-Universität Frankfurt untersuchte dieses Phänomen. Verfasser der Studie sind Benjamin Clapham und Micha Bender von der Goethe-Universität Frankfurt, sowie der Bundesbank-Analyst Benedikt Schwemmlein. Laut ihren Beobachtungen kommt es an den Aktienmärkten weltweit zum Handelsschluss zu erheblichen Verschiebungen des Handelsvolumens. Als Grund ermittelten sie die Zunahme passiver Investitionen und regulatorischer Änderungen.
Passive Aktienfonds forcieren diese Entwicklung
Das Vermögen, das passive Aktienfonds in den USA verwalten, ist in den letzten zehn Jahren auf über 11,5 Billionen US-Dollar gestiegen. Dadurch verlagert sich der Aktienhandel immer stärker auf das Sitzungsende. Selbständig agierende Investoren folgen diesem Trend, weil auch sie von dieser Liquidität profitieren wollen – und schon ist ein sich selbst verstärkender Kreislauf entstanden.
Die Autoren der Studie konzentrierten sich auf drei große europäische Märkte, in denen Schlussauktionen regelmäßig mehr als ein Drittel des täglichen Handelsvolumens ausmachen. Sie analysierten, ob diese Schlussauktionen mit hohem Volumen negative Auswirkungen auf die Preisfindung am Schluss und die Marktqualität im laufenden Handel haben. Sie kamen zu folgenden Erkenntnissen:
Preisineffizienzen durch Konzentration hoher Handelsvolumen
Schlussauktionen als Mechanismen zum Ende des Handelstages sind allgemein als sehr effektiv anerkannt. Die Konzentration eines großen Handelsvolumens auf diese Schlussauktionen kann allerdings zu Preisineffizienzen führen.
Verzerrungen des Schlusskurses korrigieren sich teilweise automatisch
Clapham, Bender und Schwemmlein erkannten Hinweise auf erhebliche Verzerrungen des Schlusskurses. Ihren Beobachtungen zufolge wurden rund 14 Prozent der Schlussauktionsrendite über Nacht systematisch rückgängig gemacht. Als Hauptgründe für diese Umkehrungen erkannten sie steigende Schlussauktionsvolumina, Index-Neuausrichtungstage und hohe Intraday-Renditen.
Negative Auswirkungen auf die Intraday-Liquidität
Es zeigte sich außerdem, dass sich die Verschiebung der Handelsvolumina auf den Handelsschluss negativ auf die Intraday-Liquidität auswirkt. Gleichzeitig erkannte die Studie positive Auswirkungen auf die Intraday-Volatilität. Die Verfasser der Studie betonten, dass das im Gegensatz zu den theoretisch vorhergesagten positiven Auswirkungen von Schlussauktionen auf die Preisfindung und Liquidität steht.
Regulierungsbehörden, Börsenbetreiber und Forscher in der Pflicht
Clapham, Bender und Schwemmlein plädieren dafür, dass Regulierungsbehörden, Börsenbetreiber und Forschende dem Anstieg der Volumina zur Schlussauktion weltweit mehr Aufmerksamkeit schenken sollten. Schließlich seien negative Folgen für die Markteffizienz deutlich erkennbar.
Schlusskurse sind für Handelsentscheidungen der Anleger, Bewertungen von Portfolios und Abrechnungspreise von Derivaten von hoher Relevanz. Wenn diese durch hohe Handelsvolumina in Schlussauktionen verzerrt werden, hat das erhebliche Auswirkungen auf die Märkte. Die Verfasser der Studie empfehlen deshalb, diese Entwicklung in zukünftigen Forschungen weiter zu untersuchen. Sie regten an, dass Regulierungsbehörden neue regulatorische Maßnahmen konzipieren und bewerten sollten, um den Trend zu immer höheren Volumina in Schlussauktionen zu bremsen.
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