Nachtrag: 3 Gründe – Finger weg von Erdöl-Aktien

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Finger weg von Erdöl-Aktien
Finger weg von Erdöl-Aktien

Vor wenigen Tagen haben wir auf unserem Portal eine Analyse rund um die Chancen und Risiken der Erdöl-Industrie veröffentlicht. Der Beitrag mit dem Titel „Analyse: Wie schlimm steht es um die Erdöl-Industrie wirklich?“ wurde seither oft gelesen und oft geteilt. Auch in den sozialen Medien wurde der Inhalt des Artikels diskutiert.

In unserer ersten Analyse sind wir zum Schluss gekommen, dass nicht nur auf Grund von Corona, sondern auf Grund veränderter Rahmenbedingungen auf dem Weltmarkt, die Ölindustrie mittelfristig keine gute Investition darstellt. In den letzten Tagen hat sich unsere Analyse als richtige herausgestellt.

Nachdem bereits der weltgrößte börsengelistete Ölkonzern Royal Dutch Shell seine Dividende für das laufende Jahr gesenkt hatte, hat nun auch British Petroleum / BP die Dividende massiv gekürzt. Dennoch werden die Aktien noch von Privatanlegern gekauft. In diesem Nachtrag verdeutlichen wir unsere Sicht der Dinge nochmals.

Grund 1: Die weltweite Ölnachfrage ist eingebrochen

Der Corona-Lockdown hat in praktisch jeder wirtschaftlich entwickelten Nation zu einem massiven Einbruch der Wirtschaft geführt. Zwar dürfte in den Industrienationen die Schockstarre bald vorüber sein – die Lager sind jedoch nach wie vor voll. Mit einer Erholung des Ölpreises ist nicht vor 2021, eher 2022 zu rechnen.

Bereits vor der Covid-19 Pandemie war der Ölpreis ausgesprochen niedrig. Während sich vor knapp 10 Jahren noch Preis von rund 100 Dollar pro Barrel Rohöl erzielen ließen, ist dieser Kurs massiv eingebrochen und wurde um April sogar kurzzeitig negativ. Eine Trendumkehr ist aktuell nur mit viel Optimismus zu erkennen.

Grund 2: Die Förderkosten divergieren erheblich

Der wohl wichtigste Punkt, warum der Ölpreis nachhaltig am Boden bleiben dürfte, besteht in den unterschiedlichen Förderkosten der Konzerne. Während die großen privaten Konzerne wie Exxon, Shell, PB oder Chevron zwischen 30 und 40 US-Dollar pro Barrel Rohöl investieren müssen, kommen Russland und Saudi-Arabien hier deutlich besser weg.

Im Jahr 2014 lagen die durchschnittlichen Förderkosten für ein Barrel Rohöl bei ca. 80 US-Dollar. Durch massive Kostensenkungen, Entlassungen und Einsparungen konnten die Konzerne ihre Kosten im Jahr 2015 auf knapp über 40 US-Dollar senken. Seit 2016 liegen die Förderkosten bei allen großen Unternehmen bei knapp unter 40 US-Dollar.

Das steht jedoch in keinem Vergleich zu Russland und Saudi-Arabien. In Russland, wo Arbeitskräfte günstig zu haben sind und die nötige Industrie vorhanden ist, gibt es zahlreiche Erdölfelder, deren Förderkosten bei unter 20 US-Dollar pro Barrel liegen. Die hohe Verschuldung des russischen Staates zwingt das Land, Öl zu egal welchem Preis auf den Weltmarkt zu werfen.

Noch dramatischer ist die Situation auf der arabischen Halbinsel. Das Königshaus in Saudi-Arabien benötigt zur Finanzierung des Staatshaushalts laut einer Analyse der BayernLB einen Ölpreis von ca. 83 US-Dollar. Weil das Land aktuell massiv unter Corona leidet, müssen Devisen ins Land. Die günstigen Förderkosten von nur 7 US-Dollar pro Barrel helfen dem Wüstenstaat.

Grund 3: Die geopolitische Situation hat sich verändert

Gerade die eben beschriebene Situation in Russland und Saudi-Arabien hat dazu geführt, dass der Erdölpreis trotz widerstrebender Interessen der Nationen konstant niedrig gehalten wird. Das Herunterfahren der Wirtschaft in den einzelnen Ländern seit März hat diese Situation nicht hervorgerufen, sie hat sie jedoch massiv intensiviert.

Zwar braucht Russland im Gegenzug zu Saudi-Arabien nur rund 42 US-Dollar pro Barrel, um einen ausgeglichenen Haushalt zu haben – der Verfall beim Ölpreis belastet jedoch auch den an den Ölpreis gekoppelten Rubel. Der russische Staat ist aktuell praktisch insolvenzreif, die importabhängige Wirtschaft braucht dringend Devisen im Land.

Auch in den USA ist die Situation heute eine andere als noch vor einigen Monaten – und das dürfte mittelfristig auch so bleiben. Die hohen Kosten, die das Fracking in den USA pro Barrel Rohöl verursacht, liegen bei 40 – 70 US-Dollar. Alleine von 2014 bis 2016 mussten rund 50 US-amerikanische Öl- und Gaskonzerne Insolvenz anmelden. Aktuell geht man davon aus, dass rund 33 % der noch am Markt befindlichen Fracking-Unternehmen faktisch zahlungsunfähig sind.

Die Insolvenzen, die heute die amerikanische Versorgung mit Rohöl gefährden, werden auch morgen noch zu spüren sein. Aus diesem Grund finanziert die US-Regierung massiv das Überleben der MidCap Player, etwa der Apache Corporation aus Texas. Langfristig dürfte diese Strategie jedoch nicht aufrecht erhalten zu sein.

Die wichtigsten Daten & Aussagen im Überblick

Im Folgenden finden Sie die wichtigsten Aussagen und Zahlen unserer Analysen nochmals im Überblick.

  • Der Ölpreis liegt aktuell bei rund 40 US-Dollar / Barrel (Stand 2015: 80 US-Dollar / Barrel)
  • Saudi-Arabien benötigt einen Ölpreis von 83 Dollar / Barrel für einen ausgeglichenen Haushalt
  • Russland braucht einen Preis von 42 Dollar / Barrel für einen ausgeglichenen Haushalt
  • Die Förderkosten in Russland und Saudi-Arabien betragen zwischen 7 und 20 Dollar / Barrel
  • Die Förderkosten für BP, Chevron, Exxon und Shell lieben bei knapp unter 40 Dollar / Barrel
  • Der STOXX Europe 600 Oil & Gas Index hat seit seinem Hoch 2017 mehr als 50 % verloren

Fazit: Lassen Sie die Finger von Erdöl-Aktien

An der grundsätzlichen Aussage, bzw. den Ergebnissen unserer detaillierten Analysen ändert sich auch heute nichts: Anleger sollten die Finger von Aktien aus dem Erdöl-Sektor lassen. Nicht nur sind die politischen und wirtschaftlichen Risiken aktuell unvorhersehbar – auch der Abwärtstrend der Big Player an der Börse ist nach wie vor voll intakt.

Wer qualitativ hochwertige Dividendentitel sucht, der findet im Konsumbereich und auch im Industriesektor sicherere Geschäftsmodelle, die nicht von einem einzigen Produkt abhängig sind, dessen Preis ein geopolitischer Risikofaktor ist. Zwar scheinen die Dividendenrenditen der Ölkonzerne im Moment attraktiv – ob diese auch künftig bezahlt werden können, lässt sich heute noch nicht einmal im Ansatz voraussagen.

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