Signa-Insolvenz: Auswirkung der Benko Pleite auf die deutsche Altersvorsorge 

Fast täglich kommen neue Informationen über die Schieflage des Benko Imperiums rund um die Immobiliengruppe „Signa“ ans Tageslicht. Institutionelle Investoren verfolgen diese Entwicklung mit großer Besorgnis und Aufmerksamkeit. Im Interview mit Felix M. Früchtl, Versicherungsexperte und Geschäftsführer der ProLife GmbH, beleuchten wir die Auswirkungen dieser Entwicklungen speziell im Hinblick auf die deutsche Altersvorsorge.

Redaktion:
Herr Früchtl, wie bewerten Sie die Insolvenz der Signa Group?

Felix M. Früchtl:
Der Investor und Unternehmer René Benko sowie seine Signa Holding sorgen mittlerweile seit mehreren Monaten regelmäßig für Schlagzeilen. Das Unternehmen ist in Schieflage geraten, und das wiederum hat Auswirkungen auf zahlreiche Unternehmen in den unterschiedlichsten Branchen. 

Die Signa Group hält zahlreiche Immobilien auf der ganzen Welt, darunter renommierte Objekte wie das KaDeWe, die Elbphilharmonie und das Chrysler Building. Das Ausmaß der Zahlungsunfähigkeit ist schier unvorstellbar und hat ein regelrechtes Beben in der Finanzbranche ausgelöst. Alle, die auf das Immobilienimperium gesetzt haben, müssen nun um ihr Investment bangen. Zum Kreis der deutschen Großinvestoren zählen Dutzende Genossenschaftsbanken und Sparkassen und auch fast die gesamte Lebensversicherungs-Elite. Sie alle haben Kundengelder investiert und sehen sich nun  mit möglichen Verlusten konfrontiert. Das macht die Insolvenz der Signa Group nicht nur für die institutionellen Investoren, sondern auch für einen erheblichen Teil der deutschen Bevölkerung relevant.

Zugegeben, Firmenpleiten im Immobiliensektor sind in der aktuellen Zeit leider nicht ungewöhnlich. Doch da etliche Lebensversicherer in die Signa Group investiert haben und nun um ihre Gelder bangen, möchte ich beleuchten, wie sich die Insolvenz der Signa Group auf die Altersvorsorge der Deutschen auswirken könnte. 

Redaktion:
Warum haben so viele deutsche Lebensversicherer in die Signa Group investiert? 

Felix M. Früchtl:
Das lässt sich auf gesetzliche Vorgaben zurückführen. Der Gesetzgeber schreibt den Lebensversicherern ziemlich genau vor, wie sie das Geld ihrer Kunden im Deckungsstock investieren dürfen: Der Großteil muss mündelsicher und möglichst risikofrei angelegt werden, was die Optionen stark einschränkt. 

Anleihen erfüllen beide Bedingungen und sind deshalb oft die bevorzugte Wahl. Da sich mit Unternehmensanleihen deutlich mehr Rendite erzielen lässt als mit Staatsanleihen, stehen Erstere bei den Versicherern hoch im Kurs. Der rasche und beachtliche Zinsanstieg in den letzten Jahren hat die Kurse sowohl von Staats- als auch von Unternehmensanleihen drastisch sinken lassen. Das allein würde für den Investor jedoch kein Problem darstellen, wenn er die Anleihe ohnehin bis zur Endfälligkeit halten möchte. Höchst problematisch wird die Situation jedoch, wenn sich zu den Kursverlusten auch noch ein Zahlungsausfall gesellt. Erfolgt die Rückzahlung nicht wie erwartet, ist das finanzielle Drama für den Investor perfekt. 

Das Problem liegt also in der Investitionsstruktur der Versicherer. 

Redaktion:
Das klingt dramatisch! Können Sie uns sagen, welche Versicherer konkret betroffen sind?

Felix M. Früchtl:
Berichten der Financial Times zufolge sind Versicherungsriesen wie die Allianz und die Munich Re mit bis zu 3 Milliarden Euro im Benko-Imperium investiert. Am stärksten vertreten ist die Signal Iduna – mit einer Milliarde Euro. Auch die Ergo und R&V haben erhebliche Summen investiert, und die LVM ist sogar direkt an der Signa Prime Holding beteiligt. 

Mit der Insolvenz der Signa Group sind all diese Investitionen höchstwahrscheinlich verloren und die Versicherungsgesellschaften müssen sich nun auf erhebliche Abschreibungen einstellen. Erschwerend hinzu kommt, dass viele dieser Investitionen wohl ohne durchsetzbare Sicherheiten getätigt wurden. Das bedeutet im Klartext: Wenn es im Rahmen einer Insolvenz zur Verwertung des Vermögens kommt, stehen Darlehen und Schuldverschreibungen in der Rangliste ganz weit hinten und haben dadurch nur äußerst geringe Chancen, bedient zu werden. 

Redaktion:
Werden die Versicherungsnehmer die Auswikungen spüren?

Felix M. Früchtl:
Oh ja, das steht außer Frage! Auch die Versicherungsnehmer der betroffenen Lebensversicherungskonzerne werden die Auswirkungen dieser Entwicklung zu spüren bekommen. Zwar betonen die Versicherer, dass die Verluste im Vergleich zum Gesamtvolumen minimal seien und auch die Bafin ist sich der aktuellen Herausforderungen bewusst. Fakt ist jedoch, dass Stand heute noch niemand genau weiß, welches Volumen tatsächlich ausfallen wird. Dass es Ausfälle geben wird, steht jedoch fest, und da es die Gelder der Sparerinnen und Sparer sein werden, die abgeschrieben werden müssen, sind diese direkt betroffen. 

Redaktion:
Was bedeutet das für die private Altersvorsorge?

Felix M. Früchtl:
Die private Altersversorgung der Deutschen wurde durch diese Entwicklungen empfindlich getroffen. Es ist ein weiterer herber Schlag für die Lebensversicherer, die ohnehin schon mit den Folgen der Anleihenkrise und möglichen Liquiditätsengpässen zu kämpfen haben. Über kurz oder lang werden deshalb auch die Versicherungsnehmer die Auswirkungen zu spüren bekommen. 

Redaktion:
Wie lautet ihr Fazit? Wie sollen sich Anleger jetzt verhalten?

Felix M. Früchtl:
Die Pleite der Signa Group hat weitreichende Auswirkungen auf die private Altersvorsorge, das lässt sich bereits mit Sicherheit sagen. Nun gilt es abzuwarten, wie Versicherungsgesellschaften und Versicherungsnehmer darauf reagieren und wie es um die langfristige finanzielle Sicherheit der Sparer bestellt ist. 

An dieser Stelle ist auch der Gesetzgeber in der Pflicht. Das enge Korsett, in das er die Versicherungsgesellschaften bei Investitionsentscheidungen gezwängt hat, sollte im Sinne der Diversifikation gelockert werden. 

Bis dahin gilt sowohl für den kleinen Sparer als auch für den großen Versicherungskonzern die Devise: Augen auf!

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