EZB lässt Leitzinssätze unverändert
Obwohl die Inflation zuletzt gesunken ist, tastete die Europäische Zentralbank die Zinsen im Euroraum gestern nicht an und ließ die Leitzinssätze unverändert. Die Hauptrefinanzierungsfazilität, also der Zinssatz, zu dem sich Banken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, bleibt weiterhin bei 4,25 Prozent. Die Einlagenfazilität, der Zinssatz, den Geldinstitute erhalten, wenn sie überschüssiges Geld bei der Notenbank anlegen, liegt unverändert bei 3,75 Prozent.
Damit verzichtet die EZB auf eine direkte Fortsetzung der Lockerung in der Geldpolitik. Der Markt vermutet aber größtenteils, dass es bei der nächsten Sitzung der Notenbank Mitte September zu einer erneuten Zinssenkung kommen wird.
Im September wird es spannend
Wie sich die EZB nach der Sommerpause entscheiden wird, konnte oder wollte heute noch niemand verraten. Man ließ sich alle Türen offen und verzichtete auf klare Hinweise. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte lediglich, dass künftige Zinsentscheidungen von den Konjunkturdaten abhängen werden. Die Entscheidungen sollen von Sitzung zu Sitzung fallen.
Der Preisdruck ist nach wie vor hoch. Bei der EZB vermutet man deshalb, dass die Gesamtinflation in der Eurozone bis weit ins nächste Jahr hinein über den angepeilten 2 Prozent bleiben wird. Was den Währungshütern derzeit große Sorgen bereitet, ist der Trend zu hohen Lohnzuwächsen. Der dürfte sich allerdings im Jahresverlauf abschwächen. Die Wirtschaft in der Eurozone ist im zweiten Quartal vermutlich langsamer gewachsen als im ersten.
EZB behält vorsichtigen Kurs bei
Zehnmal in Folge hatte die EZB seit Juli 2022 die Zinsen erhöht, um die Inflation, die nach dem russischen Angriff auf die Ukraine auf ein Rekordhoch geklettert war, in den Griff zu bekommen. Danach legte sie eine lange Pause ein. Erst im Juni leitete die EZB dann die Zinswende ein und senkte die Zinsen zum ersten Mal seit fünf Jahren, und zwar um 0,25 Prozentpunkte.
Die Geldpolitik der EZB gleicht einem Spagat. Hohe Zinsen verteuern Kredite. Das führt meist dazu, dass die wirtschaftliche Nachfrage gedämpft und hohe Inflationsraten gebremst werden. Außerdem belasten teurere Kredite die Wirtschaft und Privatpersonen, die Darlehen aufnehmen müssen. Senkt die EZB die Zinsen aber zu schnell, riskiert sie, dass die Inflation wieder anschwillt.
Experten betrachten den Kampf der europäischen Währungshüter gegen die hohe Inflation noch nicht als gewonnen. Die Zinsentscheidung am 12. September muss deshalb mit Bedacht getroffen werden – so wie es die EZB auch vorhat. Erst wenn sicher ist, dass die Inflation im Euroraum die Zwei-Prozent-Marke garantiert erreichen kann, sollte die EZB die Zinsen erst senken, so die vorherrschende Marktmeinung.
Inflation sinkt nur langsam
Die Inflation im Währungsraum hat sich bereits abgeschwächt. Im Mai lag sie noch bei 2,6 Prozent, im Juni sank sie auf 2,5 Prozent. Damit nähert sie sich dem erklärten Ziel der EZB von zwei Prozent im Währungsraum. Bei dieser Rate sollte nach Meinung der Währungshüter die Preisstabilität gewahrt bleiben. Doch die Inflation im Euroraum geht nur sehr langsam zurück.
Die Ökonomen sind auch besorgt, weil die Kerninflation, also die Teuerung ohne die schwankungsanfälligen Energie- und Nahrungsmittelpreise, im Juni bei 2,9 Prozent stagnierte.
Lockerung nicht ohne Kritik
Einige Ökonomen sehen die Zinswende der EZB deshalb kritisch. Zwar ist es ihrer Meinung nach vertretbar, wenn der EZB-Rat die Leitzinsen schon bei der nächsten Sitzung im September senkt, solange die Inflationsdaten halbwegs dafür sprechen. Auch weitere Schritte könnten im Dezember und im März 2025 folgen. Insgesamt halten sie diese Zinswende aber für verfrüht, weil das Inflationsproblem ja noch nicht gelöst ist.
Dennoch glauben viele Experten an eine nächste Zinssenkung im September. Sie halten es für sehr wahrscheinlich, dass sowohl die kurzfristigen als auch die langfristigen Zinsen in den nächsten Quartalen weiter sinken werden. Das ist auch die Hoffnung derer, die sich Geld leihen wollen.
Zinssenkung in Sparzinsen bereits eingepreist
Nach der jüngsten Zinssenkung der EZB im Juni stellten viele Sparer fest, dass die Geldinstitute diese Zinssenkung bereits eingepreist hatten. Die Zinsen für Tagesgeld und zweijähriges Festgeld beispielsweise gingen nur minimal um 0,02 bis 0,03 Prozent zurück. Die Leitzinssenkung wurde seitens der Banken und Sparkassen entweder schon im Vorfeld der Zinssenkung eingepreist oder nach der Zinssenkung umgehend an die Sparkundschaft weiter weitergegeben.
Kaum Entlastung bei Bauzinsen
Kreditnehmer hingegen konnten nicht si richtig von der Zinssenkung profitieren. So sind Baufinanzierungen zwar etwas günstiger als im letzten Herbst, doch die Konditionen haben sich schon vor einigen Monaten auf hohem Niveau eingependelt. Für Darlehen mit einer Zinsbindung von zehn Jahren müssen Häuslebauer derzeit mit rund 3,7 Prozent rechnen. Erhöht sich die Zinsbindung auf 15 Jahre, werden etwa 3,85 Prozent fällig. Zumindest in den kommenden Wochen dürften sich die Bauzinsen kaum bewegen, so die allgemeine Einschätzung der Kreditvermittler.
Die Kommentarfunktion ist geschlossen.