EZB: Erste Leitzinssenkung seit knapp 5 Jahren

Überraschend kam sie nicht, die erste Leitzinssenkung der EZB seit fast fünf Jahren. Aber sie wird nicht von allen gutgeheißen. Kritiker halten den Schritt für verfrüht. Befürworter erhoffen sich positive Impulse. Eine erneute Senkung der Leitzinsen ist vorerst nicht in Aussicht.

Neuer Leitzins liegt bei 4,25 Prozent

Die EZB veranlasste heute die erste Leitzinssenkung seit knapp 5 Jahren. Der Leitzins liegt nun 0,25 Prozentpunkte tiefer bei 4,25 Prozent. Der Einlagenzins für Banken reduzierte sich ebenfalls um 0,25 Prozent und liegt nun bei 3,75 Prozent.

Damit hat die Europäische Zentralbank (EZB) die erwartete Kurswende vollzogen. Für Kreditnehmer sind das gute Nachrichten, da Kredite dadurch günstiger werden. Sparer hingegen müssen sich damit abfinden, dass sie wieder weniger Zinsen für erspartes Geld bekommen. Viele Geldhäuser haben ihre Konditionen aber bereits angepasst, da allgemein erwartet worden war, dass die heutige Entscheidung der Notenbank so ausfallen würde.

EZB strebt 2,0 Prozent Inflation an

Die Notenbanken von Kanada, Schweden und der Schweiz haben ihre Zinsen bereits gesenkt. Die US-Notenbank Federal Reserve ist noch nicht bereit für diesen Schritt, da die US-amerikanische Inflation sich hartnäckig hält.

Zwar ist die Inflation in der Euro-Zone noch nicht besiegt, doch man ist auf einem guten Weg. Im Mai betrug die Teuerung nur mehr 2,6 Prozent. Im Vergleich zum Herbst 2022 konnte sie also schon um mehr als zehn Prozent gesenkt werden. Dazu haben die zehn Zinserhöhungen der EZB seit dem Sommer 2022 maßgeblich beigetragen. Ziel der EZB ist es, die Inflationsrate auf 2,0 Prozent zu senken und zu halten. Diesen Wert erachten die EZB-Experten für optimal.

Kritische Stimmen

In Augen der Kritiker spricht derzeit wenig für eine Leitzinssenkung. Zwar ist die Inflationsrate im Euroraum schon deutlich niedriger als noch vor ein paar Monaten, aber im Mai ist sie wieder gestiegen: von 2,4 auf 2,6 Prozent. Auch in Deutschland kletterte sie von 2,2 auf 2,4 Prozent. In vielen anderen EU-Ländern ist noch viel weiter von den anvisierten 2,0 Prozent entfernt. Belgien ist mit 4,9 Prozent derzeitiger Spitzenreiter in der Eurozone. Auch Kroatien kämpft noch mit über vier Prozent Inflation. In Österreich, Luxemburg und Zypern steht immerhin eine Drei vor dem Komma. In Spanien und Portugal stieg die Teuerungsrate zuletzt wieder auf 3,8 bzw. 3,9 Prozent. 

Vorwürfe werden laut. Die Reaktion der EZB sei der tatsächlichen Lage nicht angemessen. Kritiker meinen, sie habe nichts aus ihren Fehlern gelernt und sich abermals zu früh festgelegt. Auch Befürchtungen, dass sich die heutige Zinssenkung rückblickend als Fehler erweisen könnte, stehen im Raum.

Aktienmärkte mitverantwortlich für diesen Schritt

Doch es gibt auch Stimmen, die die straffe Geldpolitik der EZB schon länger für übertrieben halten und denken, dass die Zeit mehr als reif war für eine Zinssenkung. Das hohe Niveau belastet vor allem den Bau und die Investitionstätigkeit übermäßig. Die deutsche Wirtschaft dürfte deshalb von der heutigen Senkung der Leitzinsen profitieren.

Die Aktienmärkte drängten quasi auf eine Zinssenkung. In den vergangenen Monaten wurde die Zinswende mit teils unrealistischen Annahmen eingepreist, was dazu führte, dass die Kurse drastisch stiegen. EZB-Ratsmitglieder heizten die Märkte mit ihren Aussagen immer wieder an und so mussten die Währungshüter jetzt wohl liefern. Turbulenzen an den Finanzmärkten sind im Frankfurter Euro-Tower sehr gefürchtet und die wären sehr wahrscheinlich gefolgt, wenn die EZB die Zinsen jetzt doch nicht gesenkt hätte.

Wann es zu einer weiteren Zinssenkung kommen wird, ist offen. Für Juli ist derzeit keine vorgesehen, da der EZB-Rat einen zweiten Schritt nach so kurzer Zeit für verfrüht hält. Die aktuellen Daten rechtfertigen derzeit keine zeitnahe weitere Zinssenkung.

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