„Meme Stocks“ – gefährliche Zockerpapiere

Angeschlagene US-Aktien wie GameStop verbuchen plötzlich sagenhafte Kursgewinne. Wieder einmal. Diese “Meme Stocks” sind hoch riskant, ganz besonders  für Privatanleger.

Heiße Diskussionen zwischen “Pushern” und “Bashern”

Das Phänomen der „Meme Stocks“ weist viele Parallelen zur Spekulationsblase bei Internet-Aktien um die Jahrtausendwende auf. In Börsenforen diskutieren oftmals anonyme Nutzer über bestimmte, meist wenig bekannte und niedrig bewertete Aktien. Innerhalb dieser Threads treten zwei Gruppen hervor: die „Pusher“, die positiv über die Aktie sprechen, und die „Basher“, die sie kritisieren. Zwar sind die Kritiker zahlenmäßig meist unterlegen, aber sie haben häufig die überzeugenderen Argumente. Trotzdem werden sie meist ignoriert. Es kristallisiert sich auch ziemlich rasch heraus, welche „Pusher“ fundierte Kenntnisse der Märkte haben und sich mit Bilanzierung und Aktienrecht auskennen, und welche einfach nur die Aktie bewerben, ohne echte Substanz – sogenannte „Dummpusher“ sind.

Früher “gepushte Aktien” – heute “Meme Stocks”

Was damals als “gepushte Aktien” bezeichnet wurde, heißt heute „Meme Stocks“. Warum „Meme“? “Memes” sind lustige Bilder und Videos mit aktuellem Bezug, die viral gehen und so Bekanntheit erlangen. Genau dasselbe passiert auch mit diesen Zockerpapieren.

Angeschlagene US-Aktien wie GameStop und AMC Entertainment verbuchen dank diesem Trend aktuell sagenhafte Kursgewinne. Auslöser sind regelmäßig Finfluencer, also Influencer, die sich im Internet als Finanzexperten profilieren. Andere Nutzer lassen sich davon beeinflussen und anstecken. Sie springen auf den Zug auf und Titel, die zuvor wenig Ansehen genossen, gehen plötzlich durch die Decke.

Auslöser sind Leerverkäufe

Im Vergleich zu den 2000er-Jahren hat sich das Geschehen in den letzten Jahren ein wenig verschärft. Zwei essenzielle Faktoren treten nun deutlich stärker in Erscheinung. Zum Ersten gibt es inzwischen deutlich mehr Gleichgesinnte, die in den sozialen Medien über Aktien diskutieren. Die sozialen Medien haben sich neben den klassischen Börsenforen etabliert und dort verbreiten sich wichtige Informationen oft schneller. Zum Zweiten haben sich bestimmte „Pusher“ immer stärker professionalisiert. Es sind Investoren, die den Kapitalmarkt genau beobachten und gezielt auf Aktien von Unternehmen setzen, die von vielen Profis zuvor „leerverkauft“ wurden. Bei solchen Leerverkäufen leihen insbesondere Hedgefonds Aktien aus und verkaufen diese sofort weiter, in der Hoffnung, dass ihre Preise fallen. Sofern es ihnen gelingt, diese Aktien vor dem Rückgabetermin zu einem niedrigeren Preis zurückzukaufen, können sie aufgrund der Kursdifferenz Gewinne verbuchen.

Die Macht der Kleinanleger

Ein “Meme Stock” entsteht dann, wenn eine große Anzahl von Käufern zusammenkommt, gleichzeitig hohe Leerverkaufspositionen existieren und diese Kombination starke Kursbewegungen verursacht. Gelingt es den „Pushern“, den Wert einer Aktie durch koordinierte Käufe zu steigern, zwingen sie die Leerverkäufer quasi dazu, ihre Positionen zu schließen. Die Hedgefonds kaufen die Aktien rasch zurück, um übermäßige Verluste zu vermeiden. Ein solcher überstürzter Rückkauf, „Short Squeeze“ genannt, kann die Aufwärtsbewegung der Aktie enorm beschleunigen.

Die Geburtsstunde der „Meme Stocks“ wird oft auf Januar 2021 datiert. Damals gewannen einige Aktien plötzlich stark an Wert. Antrieb war eine konzertierte Aktion von Kleinanlegern, insbesondere auf Plattformen wie Reddit. Federführend agierte die Gruppe „wallstreetbets“. Diese Kleinanleger vereinten sich in ihren Kaufaktionen, um Leerverkäufer unter Druck zu setzen. Der „Short Squeeze“ trieb die Aktienkurse rapide nach oben. Diese Aktion demonstrierte die Macht der sozialen Medien und die Fähigkeit der Kleinanleger, den Aktienmarkt zu beeinflussen.

Milliardenverluste bei betroffenen Hedgefonds

Damals schnellte das Interesse an der GameStop Aktie sprunghaft hoch und führte zu einem beeindruckenden „Short Squeeze“: Der Aktienkurs stieg um sagenhafte 400 Prozent. In der Folge erlitten mehrere Hedgefonds Milliardenverluste. Der Melvin Capital Fonds aus New York brach sogar zusammen, weil er zu große Short-Positionen in der GameStop Aktie eingegangen war. Neben GameStop pushten die Kleinanleger auch weitere Aktien wie die der Kinokette AMC Entertainment, des Technologiekonzerns Blackberry und von Bed Bath & Beyond, einem Händler für Heimtextilien. Diese Papiere gingen als die ersten „Meme Stocks“ in die Geschichte ein. 

Kein langfristiger Erfolg

Die Empörung in der Finanzwelt war damals immens. So groß, dass die Politik eingreifen musste. Der hauptverantwortliche “Pusher” Keith Gill wurde in den US-Kongress zitiert und musste dort Rede und Antwort stehen. Letzten Endes gingen die “Pusher” aber mit einem Robin-Hood-Image aus dem Fall hervor. Mit vereinten Kräften und Schwarmintelligenz war es ihnen gelungen, die Leerverkäufer in die Schranken zu weisen. Dennoch werden die „Meme Stocks“ insgesamt nicht als Erfolgsgeschichte betrachtet. 

Zwar gab es zahlreiche Nachahmer und Versuche, ähnlich erfolglose Aktien zu pushen, doch schlussendlich waren sie alle nicht wirklich erfolgreich.

Wenige Wochen nach der Kursexplosion befanden sich die GameStop-Papiere und die anderen “Meme Stocks” wieder auf demselben Level wie vor dem Hype. Auch an ihrer schwierigen geschäftlichen Lage hatte sich dadurch leider nichts geändert.

Die anschließende Pleite von Bed Bath & Beyond könnte als Mahnung dienen, wie gefährlich solch riskante Aktionen für Privatanleger sind. Bei einer derart spekulativen Welle ohne Basis den richtigen Zeitpunkt für den Ein- oder Ausstieg zu treffen, ist schier unmöglich. Die Verluste können dadurch immens sein, bis hin zum Totalverlust. 

Auch beim aktuellen Hype um die “Meme Stocks” wird es ziemlich sicher wieder viele Verlierer geben. Auf beiden Seiten.

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