Börsengänge in Deutschland: Warum Ottobock eine Ausnahme bleibt

Mit dem Börsengang von Ottobock betritt heute ein Weltmarktführer das Frankfurter Parkett. Doch der Jubel, wie man ihn einst bei der Telekom oder Porsche erlebte, bleibt aus. Börsengänge in Deutschland sind zur Seltenheit geworden – trotz stabiler Märkte und hoher Bewertungen. Die Gründe liegen tiefer: geopolitische Unsicherheiten, wirtschaftliche Zurückhaltung und ein verändertes Investorenumfeld bremsen die Lust aufs Parkett.

Ottobock, ein traditionsreiches Familienunternehmen und führend in der Prothesenfertigung, wagt den Schritt an die Börse in einem schwierigen Umfeld. Während die Aktie mit Spannung erwartet wird, fragen sich viele Marktbeobachter, warum andere deutsche Unternehmen zögern.

Warum Börsengänge in Deutschland rückläufig sind

In den 1990er- und 2000er-Jahren waren Börsengänge in Deutschland fast Routine: Infineon, Deutsche Post oder E.ON sorgten für Schlagzeilen. Heute jedoch ist der Markt nahezu leergefegt. Wirtschaftsexperten machen dafür vor allem die politische Lage verantwortlich.

Die andauernden Handelskonflikte, der Krieg in der Ukraine und unklare Wirtschaftsperspektiven in den USA sorgen für Zurückhaltung. Hinzu kommen strengere Regulierungen und gestiegene Finanzierungskosten. Viele Mittelständler schrecken deshalb vor dem Schritt an die Börse zurück – auch aus Sorge, den Einfluss über das eigene Unternehmen zu verlieren.

Börsengänge im Ausland bleiben attraktiver

Während Börsengänge in Deutschland stagnieren, zieht es viele Unternehmen in die USA. Das Beispiel BioNTech zeigt, wie attraktiv der amerikanische Kapitalmarkt sein kann: mehr Investoren, höhere Liquidität und eine zentralisierte Börsenlandschaft in New York.

Auch bekannte Marken wie Birkenstock entschieden sich für ein Listing in den Vereinigten Staaten. In Deutschland dagegen konkurrieren mehrere Handelsplätze wie Frankfurt, Paris und London um Aufmerksamkeit – was für viele Emittenten zusätzliche Unsicherheiten schafft.

Laut einer Studie von EY gab es allein in den USA im Jahr 2025 rund 180 Börsengänge, während der deutsche Markt nur eine Handvoll verzeichnen konnte. Die Tendenz zeigt: Wer global wachsen will, sucht Kapital zunehmend jenseits des Atlantiks.

Finanzplatz Frankfurt hofft auf eine Trendwende

Trotz der Flaute sehen Experten den Finanzplatz Frankfurt nicht am Ende. Die Pipeline möglicher Kandidaten ist gut gefüllt, heißt es aus Analystenkreisen. Besonders Hidden Champions – mittelständische Weltmarktführer – könnten künftig für mehr Dynamik sorgen.

Börsengänge in Deutschland bieten nach wie vor Vorteile: Sie stärken die Eigenkapitalbasis, fördern Transparenz und ermöglichen Wachstum ohne Fremdfinanzierung. Gerade für familiengeführte Unternehmen kann das ein Weg sein, Nachfolgelösungen oder neue Expansionen zu realisieren.

Doch Vertrauen in den Kapitalmarkt bleibt entscheidend. Erst wenn geopolitische Stabilität und wirtschaftliche Planbarkeit zurückkehren, könnte die Börse wieder attraktiver werden. Ottobock ist damit nicht nur ein Börsenneuling – sondern auch ein Testfall für die Zukunft des Kapitalmarkts in Deutschland.

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