Neuer Blick ins Kühlregal: Aldi Süd führt Fleischsortierung nach Haltungsform ein

Aldi Süd hat die Sortierung seines Frischfleischs grundlegend verändert. Statt wie bisher nach Tierarten – Schwein, Rind, Huhn – zu ordnen, setzt der Discounter jetzt auf eine Fleischsortierung nach Haltungsform. Die Idee: Orientierung durch Farben. Doch was bedeutet das für Konsumenten, Tierwohl und den Wettbewerb im Lebensmitteleinzelhandel?

Farben statt Tierarten: Was steckt hinter dem neuen Konzept?

Die neue Fleischsortierung nach Haltungsform ist in rund 2.000 Aldi-Süd-Filialen bereits sichtbar. Statt wie gewohnt nach Tierart geordnet, begegnen Verbraucher nun einer Farbstruktur im Fleischregal: Rot steht für Aktionsware aller Haltungsformen, Blau für Fleisch aus den konventionellen Stufen 1 und 2 – also Massentierhaltung –, und Grün für Fleisch der Haltungsformen 3 bis 5 mit höherem Tierwohlstandard.

Mit diesem Schritt will Aldi Süd eine bewusstere Kaufentscheidung ermöglichen. Nach eigenen Angaben liegt der Anteil der Produkte aus höheren Haltungsformen bereits bei über 50 Prozent. Bis 2030 soll das gesamte Kühlfleisch- und Wurstwarensortiment auf die Haltungsformen 3 und 4 umgestellt werden. Ziel: mehr Transparenz – und mehr Vertrauen.

Fleischsortierung nach Haltungsform: Wirkung oder nur Signal?

Doch die Fleischsortierung nach Haltungsform ist nicht unumstritten. Während Farben nachweislich das Kaufverhalten beeinflussen, bleibt der eigentliche Tierschutz unverändert. Die Einordnung von Bio-Hackfleisch direkt neben Ware aus Massentierhaltung etwa irritiert – auch wenn dies mit technischen Gründen wie der Kühlung begründet wird. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg kritisiert die Sortierung als wenig verbraucherfreundlich und intransparent.

Wirtschaftspsychologen sehen hingegen Potenzial. Die visuelle Aufbereitung durch Farben schaffe Übersicht in einer komplexen Warenwelt. Moralisches Verhalten werde so subtil stimuliert – besonders dann, wenn „grüne“ Produkte mit Natur und Verantwortung assoziiert werden. Auch das Markenimage profitiert: Aldi Süd präsentiert sich als Vorreiter in Sachen Tierwohl, ohne das Sortiment radikal verändern zu müssen.

Wie reagieren Wettbewerber auf das neue System?

Bisher bleibt Aldi Süd mit seiner Fleischsortierung nach Haltungsform allein auf weiter Flur. Weder Lidl noch Kaufland setzen auf ein Farbleitsystem. Sie halten an der klassischen Sortierung nach Tierarten fest und informieren über die jeweilige Haltungsform direkt am Produkt. Aldi Nord plant ebenfalls keine Umstellung.

Edeka und Netto zeigen sich offen für das neue Konzept und prüfen eine mögliche Einführung. REWE hingegen schweigt – vorerst. Damit entsteht ein Spannungsfeld: Wer wird dem neuen System folgen? Und wer bleibt beim Bewährten?

Ziel Tierwohl? Realität bleibt zurückhaltend

Wenngleich die Fleischsortierung nach Haltungsform ein positives Signal sendet, bleibt die Realität auf den Höfen weit davon entfernt. Von den rund 15.700 schweinehaltenden Betrieben in Deutschland haben laut Einschätzung von Agrarökonomen weniger als zehn Prozent auf tierwohlgerechtere Haltung wie Frischluftställe umgestellt. Offizielle Zahlen dazu fehlen. Das zeigt: Der Umbau der Tierhaltung ist komplex und nicht durch Sortiersysteme im Supermarktregal allein zu erreichen.

Wissenschaft beobachtet Konsumverhalten

Begleitet wird die Umstellung bei Aldi Süd von der Universität Bonn. In einer Langzeitstudie soll untersucht werden, ob und wie sich das Kaufverhalten durch die neue Fleischsortierung nach Haltungsform verändert. Das Ergebnis dürfte für den gesamten Lebensmitteleinzelhandel von Bedeutung sein – nicht nur aus ethischer, sondern auch aus ökonomischer Sicht.

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