Wenn Unternehmen eigene Aktien kaufen

Viele Unternehmen machen es: Mercedes, Siemens, Apple und selbst Warren Buffetts Berkshire Hathaway. Sie kaufen ihre eigenen Aktien zurück. Tendenz steigend. Aber warum tun sie das? Welche Ziele verfolgen Unternehmen, die ihre eigenen Aktien kaufen? Und hat das Konsequenzen für Anleger?

Börse oder öffentliches Kaufangebot

Wenn Unternehmen ihre eigenen Aktien kaufen, nennt man das an der Börse  Aktienrückkauf. Und das geschieht immer häufiger. Unternehmen können dafür verschiedene Wege wählen: Eine Möglichkeit ist, über die Börsen zu gehen. Wie jeder Marktteilnehmer können sie dort Aktien verkaufen oder kaufen, auch die eigenen. Eine andere Variante ist ein öffentliches Kaufangebot an die Aktionäre. Es beinhaltet eine feste Anzahl und und einen festen Preis. Hierzu muss die Hauptversammlung dem Vorstand grünes Licht erteilen. Umfang und Zeitraum des Rückkaufs sind dann ganz konkret festgelegt. Unternehmen dürfen höchstens zehn Prozent des Grundkapitals zurückkaufen, das ist gesetzlich festgelegt.

Was das Unternehmen im Anschluss mit den zurückgekauften Aktien macht, steht ihm hingegen frei. Sie können vom Markt genommen und gelöscht werden oder als eine Art Bonus an die Belegschaft ausgegeben werden. Letzteres kommt immer wieder als motivierendes Element zum Einsatz.

Mehrwert für Aktionäre

Doch welches Ziel verfolgen Unternehmen mit einem Aktienrückkauf? Er kostet schließlich viel Geld, das dann weder für Schuldentilgung noch für Investitionen zur Verfügung steht.

Die Antwort lautet schlicht: Es gibt Situationen, in denen Unternehmen mehr Chancen darin sehen, in das eigene Unternehmen statt in das operative Geschäft zu investieren oder das Geld am Kapitalmarkt anzulegen. Das ist allerdings eine unternehmerische Entscheidung, die gut überlegt werden möchte. 

Nicht selten ist es das Ziel, den Aktienkurs auf legale Art und Weise zu pushen: Dadurch, dass eine größere Anzahl Aktien vom Markt verschwindet und die Anzahl der handelbaren Aktien sinkt, wird das Angebot knapper. Somit verteilen sich Gewinne und Dividenden dann auf weniger Aktien. Der Gewinn pro Aktie steigt, obwohl das Unternehmen nicht zwingend mehr verdient haben muss. Und das wiederum lässt den Aktienkurs meistens nach oben klettern. 

Schutz vor Übernahmen

Ein anderes Motiv für Aktienrückkäufe ist der Schutz eines Unternehmens vor einer Übernahme. Indem ein Unternehmen die Aktien zurückkauft, erschwert es dem kaufwilligen Konkurrenten die Übernahme, denn geringeres Angebot bei steigender Nachfrage bedeutet automatisch höhere Preise. Auch hierzulande machen sich immer mehr Unternehmen diese Kurssteigerungen zunutze, allen voran Siemens, SAP und Mercedes. Laut Analysen der Commerzbank wollen die DAX-Unternehmen in diesem Jahr insgesamt rund 16 Milliarden Euro in Rückkäufe ihrer Aktien in Deutschland investieren. Das wäre rekordverdächtig. Aktionäre würden kurz- und langfristig davon profitieren. Allein die Ankündigung eines solchen Programms genügt zumeist, um den Aktienkurs steigen zu lassen. 

Kurssteigerungen durch Rückkäufe

Langfristig betrachtet sind Aktienrückkäufe für die Aktionäre vorteilhaft. Das bestätigt eine Auswertung von HQ Trust. Der Vermögensverwalters analysierte die Entwicklung des weltweit investierenden MSCI All Country World-Index über einen Zeitraum von zehn Jahren: Im Durchschnitt stiegen die nordamerikanischen Aktien im Index um 13,7 Prozent pro Jahr. HQ Trust schätzt, dass 3,5 Prozentpunkte davon auf die Rückkäufe entfallen – in Europa sind sogar noch mehr: Obwohl die Kurse im Schnitt um 6,8 Prozent pro Jahr stiegen, machten die Rückkäufe in Europa 26,8 Prozent aus. 

In den USA sind Rückkäufe bereits seit Jahren gängige Praxis. Ein aktuelles Beispiel ist Apple: Der iKonzern kündigte letzte Woche an, Aktien im Wert von 110 Milliarden US-Dollar zurückkaufen zu wollen. Schon im vergangenen Jahr hatte Apple eigene Anteile im Wert von 78 Milliarden US-Dollar zurückgekauft und vom Markt genommen. Und in 2022 waren es Aktien im Wert von 90 Milliarden.

Auch Großinvestor Warren Buffett investiert immer wieder Milliarden in eigene Aktien.

Kritiker bemängeln Einfallslosigkeit

Es gibt auch kritische Stimmen zu dieser Praxis der Aktienrückkäufe, und zwar grundsätzlicher Natur: Die Unternehmen seien einfallslos, heißt es. Wenn sie eigene Aktien zurückkaufen, entsteht der Eindruck, sie fühlen sich nur den Aktionären verpflichtet. Dabei wären Investitionen in das Geschäft in den Augen der Kritiker deutlich sinnvoller. Und gerade in schwierigen Zeiten sei es angebracht, das Geld zusammenzuhalten. 

Während in Deutschland die Rückkauf-Mentalität in den letzten Jahren zugenommen hat, bewegen sich die USA derzeit etwas rückwärts. Zwar kauften 2023 US-Unternehmen eigene Aktien im Wert von etwa 773 Milliarden Dollar zurück. Doch das waren 17 Prozent weniger als 2022, so eine Studie des Vermögensverwalters Janus Henderson.

In den USA könnte die Billionen-Dollar-Marke erreicht werden

Die Investmentbank Goldman Sachs prognostiziert für das kommende Jahr jedoch einen neuen Rekord bei den Rückkäufen. Grund für dieses Einschätzung ist die Tatsache, dass sich allen voran Technologieunternehmen an diesen Programmen beteiligen: „Das Gewinnwachstum ist der wichtigste Treiber für Aktienrückkäufe“, erklärte Goldman Sachs im März in einer Studie und untermauerte dies mit Zahlen: Die Aktienrückkäufe der Unternehmen im S&P 500 sollen erstmals die Billionen-Dollar-Grenze überschreiten. 

Die Aussichten auf steigende Gewinne und die möglicherweise bald sinkenden Zinsen könnten die Unternehmen dazu animieren, mehr Geld in Rückkäufe zu stecken.

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