Warum die betriebliche Altersvorsorge oft keinen Sinn macht
Interview mit Kevin Döllinger von der Infinno Finanzmanagement Gmbh:
Sascha Reinhard
Bis zu 78 % mehr Rente aus der betrieblichen Altersvorsorge. Genau darum geht es in diesem Interview. Wir haben heute Kevin Döllinger von der Infinno Finanzmanagement GmbH eingeladen. Kevin ist spezialisiert auf betriebliche Altersvorsorge und wird uns im Detail erklären, wie er meint, dass man auf 78 % mehr Rente aus der betrieblichen Zusatzrente kommen kann.In diesem Sinne, herzlich willkommen, Kevin. Schön, dass du dir Zeit nimmst und für alle Fragen zur Verfügung stehst.
Kevin Döllinger
Vielen Dank für die Einladung, Sascha. Ich freue mich auf das Interview und hoffe, dass ich ein paar spannende Einblicke zu dem Thema betriebliche Altersvorsorge geben kann.
Sascha Reinhard
Ja, wir hatten vor ein paar Wochen ein schriftliches Interview mit Kevin gemacht. Ich fand es damals erst ein bisschen langweilig. Ich meine, betriebliche Vorsorge ist jetzt nicht unbedingt das, womit man normalerweise alle hinterm Schrank hervorholt. Als ich es mir dann aber durchgelesen habe, fand ich es doch sehr spannend. Denn wir wissen alle, dass die normale Rente im Alter sehr wahrscheinlich nicht reichen wird und es gibt verschiedene Hebel, wie man das Ganze aufbessern kann.
Der einfachste Hebel ist die betriebliche Altersvorsorge, die ja eigentlich verpflichtend ist, für Arbeitgeber anzubieten. Da kann man richtig gute Hebel ansetzen und deutlich mehr für seine Mitarbeiter, aber auch für den Arbeitgeber selbst rausholen. Deshalb habe ich gesagt, wir müssen mal ein Live-Interview mit Kevin führen, wo er uns detailliert ein paar Fragen beantwortet. In diesem Sinne, legen wir los. Du sagst in deinem Interview, ich fasse es mal kurz zusammen. Wir verlinken das Interview natürlich auch unter diesem Video. Das größte Problem ist, dass die meisten Arbeitgeber über Direktversicherungen gehen. Warum ist das ein Problem?
Kevin Döllinger
Ja, das Thema bei Direktversicherungen ist, Sascha, dass man immer die Beitragsgarantie hat und meistens auch teure Fonds hinterlegt werden. Das drückt natürlich auf die Wertentwicklung, auf die Rendite und schmälert die Ablaufwerte für die Kunden, für die Mitarbeiter, was letztendlich zu niedrigen Rentenansprüchen führt. Auch gibt es Vorwürfe von Seiten der Verbraucherschützer und der Mitarbeiter, dass sich die betriebliche Altersvorsorge, hier primär die Direktversicherung, nicht lohnen würde. Teilweise ist das der Fall, dass sich die betriebliche Altersvorsorge, hier primär die Direktversicherung, nicht lohnen würde.
Sascha Reinhard
Wir haben es ja schon angesprochen, die Direktversicherung ist eigentlich das Problem. Was genau ist denn da das Problem? Klar, sie lohnt sich nicht. Das ist so die Quintessenz aus allem. Aber was ist genau der Grund dafür?
Kevin Döllinger
Der Grund dafür ist, dass der Versicherer die Berechnungsgrundlagen für die lebenslange Rente vorgibt und das natürlich auch zu seinem Vorteil berechnet. Im Interview hatten wir darüber gesprochen, dass die Mitarbeiter teilweise bis zu 130 Jahre alt werden müssen, wenn man noch eine Verzinsung unterstellt. Die darf man unterstellen, wenn die Rentenleistungen ausbezahlt werden. Wenn du bis 130 Jahre leben musst, was eher unwahrscheinlich ist, dann geht das übrig gebliebene Geld direkt in die Tasche des Versicherers. Da finde ich, kann man bessere Varianten nutzen.
Sascha Reinhard
Okay, wenn man als Arbeitgeber eine bessere Variante nutzen möchte, ist die Alternative zur Direktversicherung ein betriebliches Versorgungswerk. Erklär mal kurz, worum es dabei geht.
Kevin Döllinger
Beim Versorgungswerk ist es so, dass der Arbeitgeber vorgibt, wie eine Rente berechnet wird oder generell, wie das Versorgungswerk mit dem Geld des Mitarbeiters umgeht. Der Arbeitgeber gibt die Rahmenbedingungen vor. Bleiben wir beim Thema lebenslange Rente. Wenn ich als Arbeitgeber sage, ich möchte nicht dem Versicherer in die Tasche wirtschaften, sondern meinen Mitarbeitern, dann kann der die Berechnungsgrundlagen so festlegen, dass der Mitarbeiter nicht mehr 130 werden muss, um das Geld ausbezahlt zu bekommen, sondern beispielsweise 94, 95 oder 96 Jahre. Wir brauchen immer einen kleinen Sicherheitspuffer für den Arbeitgeber und dann kommt man ungefähr auf diese Zahlen. Für die Mitarbeiter führt es dazu, dass sie bis zu 78 % mehr Rente bekommen, verglichen zu den Direktversicherungen, die es bisher so am Markt gibt.
Sascha Reinhard
Das ist natürlich ein monströser Unterschied. Wenn man kurz darüber nachdenkt, wird klar: Wenn ich 130 Jahre alt werden müsste, sind meine Renten relativ niedrig. Wenn der Zeitraum kürzer ist, ist das, was ich angespart habe, natürlich entsprechend höher, was ich dann monatlich ausgezahlt bekomme. Das ist aber nicht der einzige Vorteil. Du hattest ein Beispiel mit 100.000 €. Bei der Direktversicherung kann man, korrigiere mich, nur wählen zwischen Einmalauszahlung, was wenig Sinn macht, weil es dann quasi auf die Rente aufgerechnet wird und ich es voll versteuern muss, oder lebenslanger Rente bis 130. Bei den Eigenversorgungswerken kann man einen anderen Zyklus für die Auszahlung wählen. Erklär das bitte noch mal genau.
Kevin Döllinger
Ganz genau. Bei der Direktversicherung gibt es die Möglichkeit zwischen lebenslanger Rente oder Einmalauszahlung. Bei dem eigenen Versorgungswerk gibt es eine dritte Möglichkeit, sich das Geld ausbezahlen zu lassen. Es ist eine Form der Einmalauszahlung. Allerdings erhält der Mitarbeiter das Geld nicht sofort komplett auf sein Konto, sondern in zehn Tranchen.
Das Geld wird über zehn Jahre hinweg ausbezahlt. Warum ist das sinnvoll? Ganz einfach: Wenn ich jedes Jahr 10.000 € aus meiner betrieblichen Altersvorsorge ausgezahlt bekomme, dann muss ich dieses Geld auch versteuern. Wenn ich über zehn Jahre die 10.000 € versteuern muss, habe ich einen deutlich niedrigeren Steuersatz, als wenn ich 100.000 € direkt auf mein Konto bekomme. Im direkten Vergleich: Bekomme ich 100.000 € aufs Konto, liegt mein Steuersatz bei 42 %. Wenn ich es über zehn Jahre verteilt bekomme, dann komme ich mit der gesetzlichen Rente und meinen sonstigen Einnahmen auf durchschnittlich 20 bis 25 %, was ans Finanzamt abgeführt wird. Das ist deutlich lukrativer, sich über diese Variante das Geld auszuzahlen, als beispielsweise als lebenslange Rente bis 130 oder auf einmal, wo ich dann 42.000 € direkt ans Finanzamt bezahlen muss.
Sascha Reinhard
Bei den 130 Jahren möchte ich noch mal kurz einhaken. Es ist klar, dass kaum einer von uns 130 erreichen wird. Was passiert eigentlich mit dem Geld, wenn ich, sagen wir, das Durchschnittsalter von 86 Jahren erreiche und dann versterbe? Was passiert mit dem restlichen Geld, das die Versicherung hat?
Kevin Döllinger
Ein Teil des Geldes von der betrieblichen Altersvorsorge, auch bei Direktversicherungen, kann an die Hinterbliebenen weitervererbt werden. Da gelten die gleichen gesetzlichen Grundlagen wie bei der gesetzlichen Rente. Verstirbt auch der Partner, verbleibt das restliche Geld beim Versicherer. Dieser kann es beispielsweise dafür nutzen, um seine Zinsversprechen von vor 20, 30, 40 Jahren mit 4 % zu bedienen. In der Niedrigzinsphase der letzten zehn Jahre hat er das Geld nicht erwirtschaftet. So hat der Versicherer quasi zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Er weiß, die Leute werden nicht so alt, und er weiß, wofür er das Geld verwenden kann, um sein Eigenkapital zu schonen und die Zinsversprechen aus der Vergangenheit bedienen zu können, ohne das aus dem Eigenkapital machen zu müssen.
Sascha Reinhard
Sehr spannendes Thema. Du hast gesagt, dass die Versicherer nicht besonders gut wirtschaften konnten in den letzten paar Jahren, was am Niedrigzins lag. Auch das ist ein Problem bei den Direktversicherungen. Es lohnt sich nicht wirklich, weil die Hebel, die die Direktversicherung nutzt, nicht unbedingt die lukrativsten sind. Geh da bitte noch einmal drauf ein.
Kevin Döllinger
Genau. Bei der betrieblichen Altersvorsorge haben wir immer eine sogenannte Beitragsgarantie. Das bedeutet, wenn ich in Rente gehe, ist ein Teil meines Geldes zu 80 oder früher 100 % garantiert. Wenn eine Garantie ausgesprochen wird, muss das Geld sicher angelegt werden. Das heißt, ich bin in Staatsanleihen investiert, und eine 10-jährige der Bundesrepublik Deutschland hat vor ein paar Jahren bei knapp null oder teilweise sogar Minuszinsen gelegen. Das macht natürlich keinen Sinn. Diese Anlagen sind teilweise auch in der betrieblichen Altersvorsorge verwendet worden, weil der Versicherer eine gewisse Quote vorgibt. Selbst wenn man glaubt, in Fonds investiert zu sein und am Kapitalmarkt mit zu profitieren, stellt sich in der jährlichen Mitteilung der betrieblichen Altersvorsorge Ernüchterung ein, weil man sieht, man hat davon nicht wirklich profitiert. Das liegt an dieser Beitragsgarantie, die man auch von Seiten des Gesetzgebers haben muss. Der Arbeitgeber tut sich da schwer, ohne Garantien zu arbeiten, weil er letztendlich auch nach aktueller Rechtsprechung dafür haftet.
Sascha Reinhard
Okay, und bei meinen eigenen betrieblichen Versorgungswerken kann ich hingehen und andere Assetklassen wählen. Du tendierst dazu, auf ETFs zu gehen, richtig?
Kevin Döllinger
Genau. Auch beim Versorgungswerk haben wir eine Beitragsgarantie, weil der Arbeitgeber eine gewisse Einstandspflicht hat, um die Versprechen gegenüber seinen Mitarbeitern zu erfüllen. Allerdings ist er in der Wahl der Investmentmöglichkeiten frei und kann auf kostengünstige ETFs setzen, die weltweit anlegen und investieren. Dadurch profitieren die Mitarbeiter von niedrigen Kosten, was bei Direktversicherungen häufig nicht der Fall ist. Dort werden Portfolios vom Versicherer gewählt, die deutlich höhere Kosten haben, aber letztendlich nicht besser rentieren oder performen als weltweit gestreute ETFs.
Sascha Reinhard
Sehr spannend. Nicht nur die Arbeitnehmer, sondern auch die Arbeitgeber können davon profitieren. Könntest du darauf eingehen? Für den Arbeitgeber ist das verpflichtend, wenn er darauf angesprochen wird. Es ist eine Holschuld, wenn ich das richtig im Kopf habe. Der Arbeitnehmer muss hingehen und seinen Arbeitgeber nach betrieblicher Vorsorge fragen. Viele gehen den leichten Weg und wählen die Direktversicherung. Auch für den Arbeitgeber ist ein eigenes betriebliches Versorgungswerk sehr interessant. Erklär das bitte mal.
Kevin Döllinger
Wer seinen Mitarbeitern einen deutlichen Mehrwert bietet, beispielsweise dadurch, dass die Rente bei gleicher Einzahlung höher ist oder steuerliche Vorteile bei den Auszahlungen bietet, ist in der Wahrnehmung attraktiver als andere Arbeitgeber, die eine klassische Direktversicherung als betriebliche Altersvorsorge anbieten. Wenn ich als Arbeitgeber herausstechen möchte, muss ich den Blick nach links und rechts über den Tellerrand wagen und mich informieren, was ich machen kann, was nicht jeder anbietet. An das Thema Versorgungswerke traut sich nicht jeder ran, weil die Direktversicherung der einfachste, schnellste Weg ist. Die meisten Berater kennen nur die Direktversicherung und sprechen diese an. Wer neue Wege gehen möchte, kann den Weg über das eigene Versorgungswerk gehen und feststellen, dass der Verwaltungsaufwand nicht wesentlich mehr ist als bei einer Direktversicherung.
Sascha Reinhard
Man braucht aber einen Partner. Kannst du darauf eingehen? Es ist auch Rechtsberatung notwendig. Was genau braucht man, um ein eigenes Versorgungswerk aufzustellen?
Kevin Döllinger
Man braucht einen Rechtsanwalt, der rechtlich berät, weil die Rahmenbedingungen beim Versorgungswerk anders sind als bei der Direktversicherung. Die Direktversicherung ist sehr standardisiert, und beim Versorgungswerk hat man die Möglichkeit, gewisse Rahmenbedingungen selbst festzulegen. Es macht Sinn, mit einem spezialisierten Rechtsanwalt oder Rentenberater zusammenzuarbeiten. Es macht auch Sinn, jemanden zu haben, der sich mit der Kapitalanlage auskennt und die Verwaltung für die Mitarbeiter und den Arbeitgeber übernehmen kann und beratend zur Seite steht.
Sascha Reinhard
Super. Ich finde das Thema sehr spannend. Es sind relativ leichte Hebel, die man ansetzen kann, um sich als Arbeitgeber aus der Masse herauszukristallisieren, Mehrwert zu bieten, im Gegensatz zur Obstschale oder kostenlosen Getränken am Arbeitsplatz oder Fitnessgutscheinen, die nicht genutzt werden. Es ist etwas, das ich als Arbeitgeber unbedingt machen sollte, weil man seinen Mitarbeitern hilft, fürs Alter vorzusorgen, und signalisiert, dass sie wichtig sind. Ich danke dir für die Zeit, die du dir genommen hast. Es hat sehr viel Spaß gemacht. Ich weiß, du hast noch das eine oder andere in petto. Ich würde sagen, wir machen mal ein weiteres Interview dazu. Vielen lieben Dank für deine Zeit. Vielleicht spricht der eine oder andere Leser mal seinen Arbeitgeber an und die Arbeitgeber die das Interview gelesen haben denkt mal darüber nach, ob es nicht auch für euer Unternehmen interessant wäre.
Kevin Döllinger
Vielen Dank für die Einladung. Ich hoffe, ich konnte ein bisschen Licht ins Dunkel bringen, dass es auch andere Möglichkeiten als die Direktversicherung gibt. Ich freue mich auf unser nächstes Interview.
Für alle Interessierten hier noch der Link zum letzten Interview mit Kevin Döllinger von der Infinno Finanzmanagement Gmbh:
Die Kommentarfunktion ist geschlossen.