Milliarden fließen in Wasserstoff-Ausbau

Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden, und das unter anderem mit Hilfe von Wasserstoff. Einen Großteil will die Bundesregierung aus dem Ausland importieren. Doch das ist nicht einfach. Und es könnte ziemlich lange dauern.

Dekarbonisierung im Ruhrgebiet

Eines der größten Dekarbonisierungsprojekte weltweit wird gerade im Ruhrgebiet umgesetzt, von thyssenkrupp. Vier große Hochöfen stehen auf dem Betriebsgelände von thyssenkrupp Steel in Duisburg. Rund zehn Millionen Tonnen Stahl produzieren die vier Kolosse pro Jahr. Dabei entsteht auch CO2. Viel CO2: 20 Millionen Tonnen pro Jahr. Und genau das möchte thyssenkrupp nun ändern, indem es seine Stahlproduktion bis zum Jahr 2045 klimafreundlich umbaut. 

Auf dem Werksgelände in Duisburg sind die Bauarbeiten bereits im Gange. Wasserstoff soll die schmutzige Kohle hier als Energieträger bald ablösen. Mit dem neuen Verfahren plant der Konzern, rund 3,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einzusparen.

Vielseitig einsetzbarer Energieträger

Wasserstoff kann in vielen Bereichen eine wichtige Rolle spielen, bestätigt das Fraunhofer-Institut. Nicht nur in der Stahl- oder Chemieindustrie kann er zum Einsatz kommen, sondern auch in Kraftwerken oder im Verkehr.

Das ist auch ein Grund, warum die Bundesregierung auf Wasserstoff setzt und ihn als wichtigen Energieträger in Deutschland etablieren möchte.

Doch die Umsetzung ist gar nicht so einfach. Bisher gibt es nur kleine Pilotprojekte. Deshalb ist die Technologie noch vergleichsweise teuer. Die Infrastruktur existiert noch nicht und muss erst komplett aufgebaut werden. Neben den Produktionsanlagen, den sogenannten Elektrolyseuren, werden auch Tausende Kilometer Pipelines benötigt, durch die der Wasserstoff dann später transportiert wird. Potenzielle Abnehmer wie Stahl- oder Zementwerke müssen ihre Anlagen umrüsten, so wie thyssenkrupp es gerade in Duisburg macht. All dies verlangt Investitionen in Milliardenhöhe – vom Staat und von der Industrie.

Importe wahrscheinlich unverzichtbar

Dennoch rechnet die Bundesregierung in den kommenden Jahren mit einer enormen und stetig steigenden Nachfrage. Irgendwann soll der Bedarf sogar so groß sein, dass der benötigte Wasserstoff wahrscheinlich gar nicht mehr ausschließlich in Deutschland produziert werden kann. Das Bundeswirtschaftsministerium plant deshalb langfristig 50 bis 70 Prozent aus dem Ausland zu importieren. Das wäre per Pipeline oder per Schiff möglich. 

Eine Pipeline nach Dänemark und weiter nach Norwegen ließe sich am schnellsten realisieren. Auch mit Großbritannien und Irland ist man wegen des Baus einer Pipeline im Gespräch, verrät Wirtschaftsminister Habeck. Importe aus Frankreich, Spanien und Portugal seien ebenfalls denkbar. Außerdem könnte die vorhandene Gaspipeline nach Algerien als Importkorridor dienen.

Wettbewerb um Wasserstoff

Wermutstropfen ist, dass die meisten Pläne bisher nur auf dem Papier existieren. Doch immerhin gibt es bereits Energie- und Wasserstoffpartnerschaften mit rund 40 Ländern auf der ganzen Welt. Aktuell liegt der Fokus darauf, sich einen Anteil am Wasserstoff zu sichern, damit vorgesorgt ist, wenn die Produktion in den einzelnen Ländern dann im großen Stil anläuft. Wo genau der Wasserstoff herkommen soll und was das Ganze insgesamt kostet, das ist derzeit noch unklar. Dennoch investiert die Bundesregierung schon jetzt viel Geld, um den Wasserstoff in Deutschland zu etablieren und den Weg zu ebnen.

Kritische Stimmen von Opposition und Wirtschaft

Der Vorstoß der Bundesregierung ruft auch kritische Stimmen auf den Plan. Andreas Jung, energiepolitischer Sprecher der CDU/CSU im Bundestag, befürchtet vor allem einen europäischen Preiskampf. Er plädiert für eine gemeinsame europäische Beschaffung. Ein solches Vorgehen könnte dafür sorgen, dass die Preise moderat bleiben. Wenn jedes Land in Europa seinen Wasserstoff selbst beschafft, befürchtet er massive Preissteigerungen. Er sieht Analogien zur Beschaffung von Covid-Impfstoffen. Da kämpften viele EU-Länder um ein knappes Gut – mit entsprechenden Folgen.

Auch Fachleute äußern sich skeptisch. Yvonne Ruf, Wasserstoff-Expertin der Unternehmensberatung Roland Berger, glaubt nicht daran, dass Deutschland den Umschwung im geplanten Zeitraum schaffen kann. Und auch bei den Importen wird es ihrer Meinung nach schwierig, da der Ausbau der Infrastruktur zu langsam voranschreitet. Die gesteckten Ziele bei den Produktionskapazitäten hält sie für zu optimistisch.

Zuversicht bei thyssenkrupp

Bei thyssenkrupp in Duisburg ist man deutlich zuversichtlicher. Die erste Wasserstoffanlage in der Stahlproduktion soll 2027 in Betrieb gehen. Die Stahlkocher vertrauen darauf, dass die Bundesregierung eine entsprechende Wasserstoffversorgung aufbaut – so wie es ihre Pläne vorsehen. Ansonsten wäre es ja unsinnig, die neue Anlage zu bauen.

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