Stromerzeugung vor Ort: BGH kippt Sonderregeln für Kundenanlagen

Die Stromerzeugung vor Ort galt bislang als kostengünstige Alternative zu zentralisierten Energieversorgungsmodellen. Sie bot nicht nur einen direkten Draht vom Erzeuger zum Verbraucher, sondern auch Einsparungen durch den Wegfall von Netzgebühren. Doch ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) dürfte diese Vorteile deutlich einschränken – mit spürbaren Konsequenzen für Anbieter und Haushalte.

Was das Urteil zur Stromerzeugung vor Ort bedeutet

Im Fokus steht eine rechtliche Neubewertung sogenannter Kundenanlagen – lokaler Verteilnetze, die von Energieversorgern betrieben werden, um Strom direkt an Verbraucher zu liefern. Bislang galten diese Anlagen nicht als Stromnetz im regulierten Sinn. Damit waren sie von typischen Netzbetreiberpflichten und -kosten befreit.

Das BGH-Urteil ändert diese Sichtweise grundlegend. Die Richterinnen und Richter entschieden, dass lokale Leitungen, die dem Stromverkauf dienen, sehr wohl als regulierungspflichtige Netze einzustufen seien. Netzgebühren müssen somit auch für Strom aus lokalen Quellen erhoben werden.

Hintergrund: EU-Recht und seine Auswirkungen

Das Urteil steht im Zusammenhang mit einem früheren Entscheid des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2024. Damals hatte der EuGH beanstandet, dass das deutsche Sonderrecht für Kundenanlagen gegen das Prinzip der Gleichbehandlung innerhalb der EU verstoße. Nach europäischem Recht ist es unerheblich, ob Strom lokal erzeugt oder überregionale Netze eingespeist wird – dieselben Regelungen sollen für alle gelten.

Mit dem BGH-Urteil setzt Deutschland diese EU-Rechtsprechung nun um. Die Stromerzeugung vor Ort steht dadurch unter erhöhtem bürokratischem und finanziellen Druck.

Was lokale Energieversorger jetzt befürchten

Für viele lokale Versorger bedeutet das Urteil das Ende eines Geschäftsmodells. Die bisherigen Kostenvorteile entfallen – zusätzliche Gebühren und Meldepflichten drohen. „Ohne die Sonderregelung verlieren wir unsere Wettbewerbsfähigkeit“, heißt es aus der Branche. Besonders betroffen sind Quartiersprojekte, bei denen Strom- und Wärmeerzeugung gemeinschaftlich geplant wurden.

Auch für Verbraucher sind die Folgen klar: Die bisherigen Preisvorteile werden sich durch die neuen Anforderungen reduzieren oder ganz verschwinden. Die Stromerzeugung vor Ort könnte dadurch an Attraktivität verlieren – gerade in Zeiten, in denen regionale Energiekonzepte als Beitrag zur Energiewende gelten.

Keine Auswirkungen für Eigenversorger

Nicht betroffen von der Neuregelung ist der Eigenverbrauch: Wer beispielsweise Solarstrom auf dem eigenen Dach erzeugt und ausschließlich selbst nutzt, kann weiterhin ohne zusätzliche Gebühren agieren. Erst wenn eine Weitergabe an Dritte erfolgt – etwa an Nachbarn oder Mieter –, greifen die neuen Bestimmungen.

Bedarf an neuen EU-Regeln

Ob es künftig doch wieder Ausnahmeregelungen für die Stromerzeugung vor Ort geben wird, hängt von der europäischen Gesetzgebung ab. Branchenverbände fordern bereits Sonderregelungen für lokale Energieprojekte – insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien. Der politische Wille auf EU-Ebene ist bislang jedoch unklar.

Klar ist: Das Urteil markiert eine Zäsur für viele dezentrale Energieprojekte in Deutschland. Die Stromerzeugung vor Ort muss sich neu positionieren – ökonomisch und regulatorisch.

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