Stihl in der Krise: Standortpolitik als Risiko und Chance

Der traditionsreiche Kettensägenhersteller Stihl steht vor einem strukturellen Wandel. Trotz globaler Unsicherheiten und rückläufiger Nachfrage gelingt es dem Unternehmen, sich über internationale Standorte widerstandsfähig zu halten. Die Fokus-Keyphrase dieses Artikels lautet: Standort Deutschland.
Schwäbische Stabilität mit globaler Perspektive
Der Weltmarktführer Stihl hat sich durch kluge internationale Produktionsstrategien ein stabiles Fundament geschaffen. Vor allem das Werk im US-Bundesstaat Virginia fungiert dabei als Schlüsselstandort – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch. Während viele deutsche Hersteller durch die Auswirkungen des Zollstreits zwischen USA und EU stark beeinträchtigt wurden, kann Stihl mit dem Label „Made in USA“ auf dem nordamerikanischen Markt unbeschwert auftreten. Das Werk in Virginia beschäftigt über 2.000 Mitarbeitende und ist die größte Produktionsstätte des Unternehmens.
Die internationale Ausrichtung zahlt sich aus: Mehr als 90 % des Umsatzes erwirtschaftet Stihl außerhalb Deutschlands. Trotzdem bleibt der Standort Deutschland ein zentrales Thema – sowohl in der öffentlichen Kommunikation als auch in den internen Restrukturierungsprozessen.
Standort Deutschland unter Druck
Trotz eines leichten Umsatzanstiegs von 1,1 % auf 5,33 Milliarden Euro im Jahr 2024 bleibt die Geschäftslage angespannt. Vor allem die Produktion in Deutschland steht unter dem Druck steigender Kosten und schwacher Standortbedingungen. Über 100 Stellen sollen hierzulande wegfallen, weltweit sind rund 500 Jobs betroffen. Dabei setzt Stihl auf sozialverträgliche Maßnahmen wie Altersteilzeit und freiwillige Abfindungen.
Vorstandschef Michael Traub verweist auf die strukturellen Nachteile am Standort Deutschland. Bürokratie, hohe Energiepreise und gesetzliche Hürden wie das Lieferkettengesetz bremsen nach seiner Ansicht Investitionsbereitschaft und Innovationskraft. Diese Kritik wird deutlich formuliert, auch wenn sie – typisch schwäbisch – in sachlichem Ton erfolgt.
Der Wandel zur Akku-Zukunft
Ein weiterer Transformationsfaktor ist der technologische Wandel. Der Anteil von Akkugeräten am Gesamtabsatz soll bis 2027 auf 35 % steigen – aktuell liegt er bei 25 %. In Deutschland hingegen sind akkubetriebene Geräte schon heute für 60 % der Verkäufe verantwortlich. Dennoch finden die meisten Produktionsprozesse für diese zukunftsorientierten Geräte nicht am Standort Deutschland, sondern im Ausland statt.
Stihl produziert in Deutschland überwiegend Benzingeräte, deren Nachfrage langfristig sinkt. Das bedeutet: weniger Produktion, weniger Beschäftigung. Für Stihl ist das keine dramatische, sondern eine logische Entwicklung angesichts schlechter werdender Rahmenbedingungen.
Politik in der Pflicht
Die Unternehmensführung fordert klare Signale der neuen Bundesregierung. Nur durch gezielte Verbesserungen der Standortbedingungen könne der Industriestandort langfristig attraktiv bleiben. Andernfalls zieht Stihl sogar eine Verlagerung ins Ausland in Betracht – eine Warnung mit Symbolkraft, auch wenn sie inzwischen abgeschwächt wurde.
Die hohe Eigenkapitalquote von 69 % und das langfristige Kostensenkungsprogramm sollen Stabilität geben. Doch ohne politische Unterstützung bleibt der Standort Deutschland ein Risikofaktor im globalen Wettbewerb.
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