Bau der Intel-Chip-Fabrik in Magdeburg verschiebt sich
30 Milliarden Euro soll sie kosten, die neue Intel-Chip-Fabrik in Magdeburg. Doch der Baubeginn verzögert sich nun um voraussichtlich rund zwei Jahre. Das erklärte Konzernchef Pat Gelsinger und wies gleichzeitig darauf hin, dass es sich hierbei nur um eine Schätzung auf Basis der derzeit zu erwartenden Nachfrage sei. Die Bundesregierung debattiert bereit, wie die für Intel eingeplanten Milliarden an Subventionen am besten verwendet werden könnten.
Spatenstich um mindestens 2 Jahre verschoben
Eigentlich wollte Intel zwei Chipfabriken in Sachsen-Anhalt bauen. Rund 3000 Arbeitsplätze sollten dadurch entstehen. Die Chipproduktion sollte dann 2027 in Magdeburg anlaufen. Der erste Spatenstich war für Ende des Jahres geplant. Die Bundesregierung hatte für die Ansiedlung im vergangenen Jahr staatliche Beihilfen in Höhe von 9,9 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Die EU-Kommission hat ihre Freigabe allerdings noch nicht erteilt.
Noch vor wenigen Monaten hatte Konzernchef Pat Gelsinger erklärt, dass in Magdeburg die modernsten Produktionsverfahren zum Einsatz kommen würden. Damit wollte Intel zur erfolgreicheren Konkurrenz aufschließen. Doch der Konzern kämpft mit Geldsorgen. Allein im letzten Quartal hat der Konzern einen Milliardenverlust eingefahren – und Analysten rechnen mit weiteren roten Zahlen. Selbst wenn also der Bund in Magdeburg knapp 10 Milliarden Euro zuschießt – die restlichen 20 Milliarden muss Intel auch irgendwie aufbringen. Irgendwo muss der Konzern deshalb den Rotstift ansetzen. Bereits Anfang August hatte Gelsinger den Abbau von rund 15.000 Stellen angekündigt. Das sind rund 15 Prozent der Belegschaft. Insgesamt plant er für das kommende Jahr mit Einsparungen von mehr als zehn Milliarden Dollar.
Es liegt nicht am Standort Deutschland
Vor diesem Hintergrund entschied sich Intel für den Heimatmarkt: Die Investitionen fließen nun in die US-Bundesstaaten Ohio, Arizona, Oregon und New Mexico. Neben Magdeburg ist auch Polen vom Sparkurs betroffen. Gelsinger kündigte für die dortigen Pläne ebenfalls einen zweijährigen Stopp an.
Einen wichtigen Erfolg konnte Intel in den USA, wo der Konzern ebenfalls milliardenschwere Subventionen erhält, für seine Strategie als Auftragsfertiger verbuchen. Gelsinger kündigte an, dass Intel einen KI-Chip für die Cloud-Sparte von Amazon mitentwickeln und produzieren werde.
Für Wirtschaftsminister Robert Habeck handelt es sich bei der Ankündigung, die Pläne für die Intel-Chip-Fabrik in Magdeburg für zwei Jahre auf Eis zu legen, um eine unternehmerische Entscheidung. Sie hat seiner Einschätzung nach nichts mit dem Standort Deutschland zu tun, sondern mit der Konzernpolitik oder mit dem Geldbedarf des Konzerns. Er erklärte, dass Deutschland seine Hausaufgaben in allen Bereichen gemacht habe.
Für die deutsche Regierung ist es nach wie vor wichtig, die Halbleiterproduktion in Europa zu einem gewissen Anteil zu erhalten oder auszubauen. Daran wird sich auch nichts ändern. Die Bundesregierung möchte eine wirtschaftliche Sicherheit schaffen und in diesen kritischen Industriebereichen über eine gewisse Kompetenz in Europa verfügen, um nicht völlig von den asiatischen Märkten abhängig zu sein.
Was passiert mit den Milliarden für Intel?
Die Haushälter im Bundestag prüfen nun, wo der Haushaltsentwurf der Bundesregierung noch geändert werden muss. Derzeit klafft noch eine große Finanzierungslücke von 12 Milliarden Euro, die man damit verkleinern könnte.
Finanzminister Lindner fordert, die für Intel eingeplanten Mittel zur Reduzierung offener Finanzfragen im Bundeshaushalt zu reservieren.
Wirtschaftsminister Robert Habeck teilte mit, man werde gemeinsam beraten, wie nicht genutzte Mitteln sinnvoll und sorgsam zum Wohle des Landes eingesetzt werden können. Da die Gelder im Klima- und Transformationsfonds (KTF) vorgesehen sind, stehen sie dem Kernhaushalt nicht zur Verfügung, zumal es in diesem Fonds ebenfalls eine Milliardenlücke gibt.
Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht fordert, die eingeplanten Subventionen für wirklich innovative Kleinunternehmen und Neugründungen einzusetzen. Zudem sollte Geld in die Infrastruktur fließen.
Der Leipziger Linken-Abgeordnete Sören Pellmann kritisierte, dass die Bundesregierung die zehn Milliarden Euro Steuergeld besser in den Aufbau einer eigenen Chip-Produktion investiert hätte. Das Knowhow für die Herstellung von Halbleitern sei in Deutschland durchaus vorhanden.
Bundeskanzler Olaf Scholz wollte eine vorübergehende Verwendung eines Teils der Staatshilfen zur Schließung von Haushaltslücken nicht ausschließen. Die Bundesregierung wolle zwar die Halbleiterentwicklung in Deutschland voranbringen, gleichzeitig aber auch dafür Sorge tragen, dass Deutschland mit seinen Finanzen gut auskommt. Er sprach sich gegen voreilige Entscheidungen aus und setzte auf konstruktive Beratungen. Er ging davon aus, dass die Möglichkeiten in alle Richtungen genutzt werden.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sprach mit Gelsinger am Telefon. Sein Wirtschaftsminister Sven Schulze setzt nach wie vor auf eine Ansiedlung des Konzerns. Wenn sich Intel in den kommenden zwei Jahren gut erholt und genug Geld für weitere Milliardeninvestitionen hat, soll das Projekt mit einer zeitlichen Verzögerung kommen. Diese Nachricht bewertete er als sehr positiv.
Branchendominanz ade
Der Pionier, der einst die Branche dominierte, bleibt heute bei den lukrativsten Halbleitergeschäften oft außen vor. Die Smartphone-Chips von Apple, QUALCOMM oder Google basieren mittlerweile auf der Technologie des britischen Chipdesigners Arm. Den Markt für Chips für KI-Software dominiert NVIDIA. Die Produktion all dieser Hightech-Halbleiter findet vor allem in Taiwan beim Auftragsfertiger Taiwan Semiconductor Manufacturing statt.
Für Intel bleibt nicht viel übrig: Das Geschäft mit einigen Chips für Rechenzentren und Windows-PCs, und selbst da griff zuletzt Qualcomm mit Arm-Prozessoren an. Dem einstigen Platzhirsch machen derweil immer wieder Probleme bei neuen Chip-Generationen zu schaffen.
Gelsinger war Anfang 2021 als Sanierer zu Intel zurückgekehrt. Er hat einen ehrgeizigen – und teuren – Rettungsplan. Der umfasst nicht nur die erfolgreiche Entwicklung eigener Chips, sondern auch eine so starke Verbesserung in der Fertigung, dass andere Firmen Intel als Auftragsproduzenten wählen. In diesem Zusammenhang werden die Fabriken in eine eigenständige Einheit innerhalb des Konzerns ausgelagert. Mehrere neue Werke, die so wie die Intel-Chip-Fabrik in Magdeburg mit hohen staatlichen Subventionen gebaut werden, sind ein wichtiger Teil des Plans.
Unabhängigkeit von TSMC
Gelsinger setzt auf die Angst vor Chip-Engpässen aufgrund des Taiwan-Konflikts. Ohne die Lieferungen von TSMC hätte der Westen ganz schnell gravierende Probleme. Davor warnen auch andere Experten. Dagegen wäre die Halbleiter-Knappheit während der Corona-Krise noch harmlos.
Die Alternative lautet deshalb: Fabriken in den USA und Europa. Zwar kostet der Aufbau Milliarden und wird etliche Jahre dauern, doch wenn es gelänge, bis Ende des Jahrzehnts rund die Hälfte der Produktion hochmoderner Chips in den Westen zu verlagern, wäre für die Versorgungssicherheit schon viel getan. Das hatte Gelsinger im Februar zu bedenken gegeben. Ein angenehmer Nebeneffekt für Intel wäre, dass der Chiphersteller dann stärker in den westlichen Chip-Lieferketten verankert wäre.
Intel-Aktie legt zu
Die Anleger begrüßten die Sparmaßnahmen und schickten die Intel-Aktie im NASDAQ-Handel zeitweise um rund 8 Prozent nach oben auf 22,58 US-Dollar.
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