VW-Chef Oliver Blume: Lage bei Volkswagen ist alarmierend

Die wirtschaftliche Situation bei Volkswagen ist alarmierend, die Lage der Marke VW sehr ernst. Man dürfe nicht einfach alles weiterlaufen lassen wie bisher. Das erklärte VW-Chef Oliver Blume gegenüber der „Bild am Sonntag“. Der Absatz von Fahrzeugen in Europa ist rückläufig. Gleichzeitig drängt sich neue Konkurrenz aus Asien auf den Markt. Die IG Metall bleibt bei ihrer Forderung nach Lohnerhöhung. Auch bei Audi in Brüssel gibt es Widerstand.

Werksschließungen und Kündigungen

Die gesamte europäische Automobilindustrie befindet sich in einer noch nie dagewesenen, schwierigen Situation. Dennoch steht Volkswagen zum Standort Deutschland. Schließlich hat der Konzern hier ganze Generationen geprägt. Aber der Manager plädiert für Bereitschaft zur Veränderung: „In Volkswagen steckt das Wort wagen. Wir müssen wieder etwas wagen: Erfolg wagen.“

Erst vor wenigen Tagen hatte Europas größter Autobauer angekündigt, den eingeschlagenen Sparkurs bei der Kernmarke VW noch einmal verschärfen zu wollen. Selbst Werksschließungen in Deutschland und betriebsbedingte Kündigungen sind nicht mehr ausgeschlossen. Der Betriebsrat kündigte daraufhin heftigen Widerstand an. Schuld an der Krise bei Volkswagen seien nicht die Beschäftigten, sondern das Management. Die Sparpläne der Konzernführung bezeichnete Betriebsratschefin Daniela Cavallo als „Armutszeugnis“ und „Bankrotterklärung“.

Kritische Stimmen aus der Politik

Janine Wissler, Fraktionsvorsitzende der Linken, fordert die VW-Aktionäre zur Rückzahlung der Dividende auf. Es sei unfassbar schäbig, dass Volkswagen im letzten Geschäftsjahr 4,5 Milliarden Euro an seine Aktionäre ausschüttet und jetzt behauptet, es wäre unmöglich, 5 Milliarden Euro aufzubringen, um Werksschließungen und Entlassungen zu verhindern. Sie schlägt vor, dass Großaktionäre wie der Porsche-Piëch-Clan die 4,5 Milliarden Euro zurückzahlen. Es dürfe nicht sein, dass die Beschäftigten und am Ende die Steuerzahler die Zeche für jahrelanges Missmanagement zahlen, während sich die Aktionäre weiter bereichern. Sie fordert zudem eine staatliche Weiterbildungsgarantie für die Beschäftigten sowie die Förderung der Produktion von Elektroautos und modernen Bahnen und Bussen.

SPD-Chefin Saskia Esken wirft der VW-Spitze vor, die Wichtigkeit der Elektromobilität lange verkannt und gleichzeitig stark auf den chinesischen Markt gesetzt zu haben. Genau der fordert nun Elektrofahrzeuge und funktioniert deshalb für VW nicht mehr. Finanzhilfen des Bundes lehnt sie mangels finanzieller Spielräume ab. Sie plädiert für Kurzarbeit.

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz sieht in der einseitigen Fokussierung auf E-Mobilität einen strategischen Fehler. Man habe übersehen, dass keine notwendige Infrastruktur vorhanden sei, und auch kein günstiges Angebot in den unteren Preissegmenten. Der für alle überraschende Wegfall der staatlichen Kaufprämie für E-Autos Ende 2023 bremste den heimischen Absatz von E-Autos enorm.

VW-Drama macht Metall-Tarifrunde komplizierter

Die Forderung der IG Metall für die rund 3,9 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie ist in diesem Jahr ganz einfach: 170 Euro für die Auszubildenden und 7 Prozent mehr für alle anderen. Doch aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation bei vielen Arbeitgebern, allen voran beim kriselnden Riesenkonzern VW, geht nun die Angst um die Arbeitsplätze um. Das schwächt die Verhandlungsposition der Gewerkschaft, die normalerweise im Automobilsektor ihre stärksten Streiktruppen hat.

Arbeitgeber argumentieren mit schwacher Konjunktur

Die Arbeitgeber der Metallindustrie weisen darauf hin, dass ihre Produktion im Durchschnitt immer noch 14 Prozent unter dem Vorkrisenniveau liegt. Die Produktivität der Werke sei in den vergangenen Jahren deutlich gesunken, neue Aufträge kämen nur schleppend dazu. In dieser Situation sei die Forderung nach 7 Prozent mehr Geld unerträglich hoch. Einige Arbeitgebervertreter fordern Nullrunden.

Sie beklagen, dass die Kurzarbeit und die Arbeitslosigkeit steigen, die Gewinne der Unternehmen schrumpfen, viele Verluste machen, die Nachfrage nach Investitionsgütern schwach und die Kapazitäten bei weitem nicht ausgelastet seien. Seit 2015 gebe es im Durchschnitt kein Produktivitätswachstum mehr, was aber die Voraussetzung für Tariferhöhungen wäre. Man habe massiv investiert, beispielsweise in die Elektromobilität, aber die Nachfrage lasse zu wünschen übrig.

In der Gewerkschaft vermuten viele, dass VW-Chef Oliver Blume nicht zufällig kurz vor der Tarifrunde Tabus beim größten deutschen Autokonzern bricht. Die Ankündigung von Werksschließungen und der drohende Verlust der vor 30 Jahren eingeführten Arbeitsplatzgarantie, das kann Deutschlands mächtigste Gewerkschaft nicht einfach ignorieren.

Gewerkschaft pocht auf Reallohnerhöhung

Die IG Metall fordert, Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen bei VW direkt wieder zu vergessen. Stattdessen macht sie sich für die alte Idee der Vier-Tage-Woche stark: Reduzierung der Arbeitszeit um 20 Prozent im Gegenzug weniger Geld für die Arbeitnehmer. Dafür bleiben die Jobs erhalten. 

Für die Wirtschaft ist nun steigende Kaufkraft wichtig. Nach dem Wegfall der Einmalzahlungen gegen die Inflation und das hohe Preisniveau brauchen die Beschäftigten jetzt dringend steigende Reallöhne, argumentiert die Gewerkschaft.

Die Arbeitsbedingungen und Entgelte bei Volkswagen sind in einem Haustarifvertrag geregelt, der die Beschäftigten in der Vergangenheit immer etwas besser gestellt hat als ihre Kolleginnen und Kollegen in der Fläche. Niedersachsens IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger möchte die eigentlich erst für Oktober geplante VW-Tarifrunde vorziehen und parallel zum Flächentarif in Niedersachsen verhandeln.

Proteste auch bei Audi in Brüssel

In einem Audi-Werk in Brüssel, das von der Schließung bedroht ist, haben Mitarbeiter die Schlüssel von rund 200 Fahrzeugen entwendet. Damit wollen sie von der Unternehmensleitung Klarheit über die Zukunft des Standorts erzwingen, berichtet die belgische Nachrichtenagentur Belga. Solange dies nicht geschehe, würden keine Autos das Werk verlassen. Audi reagierte auf den Erpressungsversuch und drohte damit, Anzeige zu erstatten, wenn die Schlüssel nicht bis Montagmittag zurück sind. Mittels Aufnahmen von Überwachungskameras habe man die Täter bereits identifizieren können.

Audi hatte im Juli mitgeteilt, dass man aufgrund der schwachen Nachfrage nach dem dort produzierten Elektro-SUV vom Typ Q8 e-trondass eine Schließung in Brüssel nicht mehr ausschließen könne. An diesem Standort sind rund 3000 Mitarbeiter beschäftigt. Nachdem der Audi-Mutterkonzern Volkswagen am Dienstag ankündigte, in den kommenden Jahren kein weiteres Modell in Brüssel zu produzieren, verstärkte dies die Sorgen der Belegschaft.

Nach Gewerkschaftsangaben reagierten die Beschäftigten bereits in den vergangenen Tagen mit Arbeitsniederlegungen und verhinderten so das Anlaufen der Produktion nach der Sommerpause. Für den 16. September planen sie einen großen Protesttag.

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