Joe Biden zieht seine Kandidatur zurück

US-Präsident Joe Biden will im November nicht mehr für eine zweite Amtszeit als US-Präsident kandidieren. Seinen Rückzug verkündete er über die sozialen Medien X, Facebook und Instagram. Im Laufe der Woche möchte er die Nation ausführlicher über seine Entscheidung informieren. Als Ersatzkandidatin schlug er seine Stellvertreterin Kamala Harris vor.

Bidens Rückzug so kurz vor der Wahl ist eine dramatische Wende und bringt weiteres Chaos in ein ohnehin historisches US-Wahljahr.

Anerkennung für Joe Biden aus den eigenen Reihen

Am gestrigen Sonntag teilte Joe Biden mit, dass er zwar eine Wiederwahl anstreben wollte, aber zu dem Entschluss gekommen sein, dass es im besten Interesse seiner Partei und des Landes sei, sich aus dem Wahlkampf zurückzuziehen. Er möchte sich nun ausschließlich auf sein aktuelles Amt als US-Präsident konzentrieren. 

Nach den schwachen Auftritten in der Fernsehdebatte hatten sich Bidens Umfragewerte zuletzt deutlich verschlechtert. Nach einer Infektion mit dem Coronavirus hatte Biden sich in sein Privathaus in Rehoboth Delaware zurückgezogen und keine öffentlichen Termine wahrgenommen. In dieser Zwangspause hat er sich nun entschlossen, dem Druck seiner Parteikollegen nachzugeben.

Parteifreunde und Familienmitglieder zollten Boden Anerkennung für diesen Schritt. Der führende Demokrat im US-Senat, Chuck Schumer, bezeichnete ihn als wahren Patriot und großen Amerikaner. First Lady Jill Biden, die als die engste Vertraute Bidens gilt, kommentierte den Rückzug ihres Mannes auf Plattform X mit zwei Herzen.

Biden wünscht sich Harris als neue Kandidatin

Kurz nach der Bekanntgabe seines Rückzugs als Präsidentschaftskandidat, schrieb Biden auf Social Media, dass die 59-jährige Kamala Harris seine volle Unterstützung hat. Er wünscht sich, dass sie als Kandidatin der Demokraten bei der bevorstehenden Wahl antritt. 

Die Demokraten müssen nun rasch reagieren und binnen kürzester Zeit die Nachfolge regeln. Ihren Präsidentschaftskandidaten nominieren sie offiziell auf einem Parteitag Mitte August in Chicago.

Kamala Harris ist die erste Schwarze, die das Amt der US-Vizepräsidentin bekleidet. Sie ist 19 Jahre jünger als der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump und gilt als schlagfertig und kämpferisch.

Demonstrative Geschlossenheit für Harris

Der Austausch des designierten Spitzenkandidaten nur wenige Monate vor den US-Wahlen und wenige Wochen vor wichtigen Deadlines in einigen Bundesstaaten ist für die Demokraten ein heikles Manöver. Nachdem Biden seiner Vize seine volle Unterstützung zugesagt hatte, sprachen sich schnell eine Reihe weiterer Parteigrößen für sie aus – allen voran die ebenfalls als mögliche Kandidaten gehandelten Gouverneure Gavin Newsom (Kalifornien), Josh Shapiro (Pennsylvania) und Roy Cooper (North Carolina). Die Gouverneurin des Swing State Michigan, Gretchen Whitmer, hatte ihre Kandidatur bereits ausgeschlossen. Mit einer direkten Unterstützung für Harris hielt sie sich aber noch zurück.

Zunächst schienen die Chancen auf einen ernsthaften innerparteilichen Konkurrenten für Harris zunächst gering, doch der als Quertreiber bekannte Senator Joe Manchin soll angeblich eine Kandidatur erwägen. Chancen dürfte er kaum haben. Die Demokraten wissen, dass der republikanische Herausforderer Trump sie gern als Chaos-Partei vorführen will – das wird deutlich. Und sie wollen alles tun, um das zu vermeiden. Zumindest in dieser Runde demokratischer Strippenzieher ist man sich einig: Mit Kamala Harris könnte das gelingen. 

50 Millionen Dollar Spenden

US-Präsident Biden hatte nach seinem Rückzug aus dem Präsidentschaftsrennen zu Spenden für den Wahlkampf seiner Stellvertreterin Kamala Harris aufgerufen. Das löste eine Spendenwelle für die Demokraten aus. Nach Bidens Debakel im TV-Duell hatten sich wichtige Spender zunächst zurückgehalten. Am Sonntag flossen die Spenden für die Demokraten dann plötzlich in hohem Tempo. Die Plattform ActBlue, der führenden Online-Spendenplattform der Demokraten, am Sonntag wohl Eingänge von mehr als 50 Millionen US-Dollar. „Das war der größte Tag für Online-Spenden für die Demokraten seit der Wahl 2020“, schrieb die Zeitung „New York Times“. 

Trump beschimpft Biden

Der 78-jährige Donald Trump wurde bereits vergangene Woche auf dem Parteitag der Republikaner in Milwaukee offiziell zum Präsidentschaftskandidaten seiner Partei gekürt. Als sein Vize geht Senator J.D. Vance ins Rennen. 

Nach dem Attentat auf Trump inszenierte der Parteitag ihn als Politiker, den die Schüsse verändert hätten und der nun das tief gespaltene Land einen wolle.

In seiner eigenen Nominierungsrede fiel Trump jedoch wieder in alte Muster zurück: Er warf den Demokraten Wahlbetrug vor und beschimpfte seine politischen Gegner. Trump und die Republikaner hatten wohl gehofft, bei der Wahl im November gegen Biden leichtes Spiel zu haben. Schließlich hatte Trump nach dem überstandenen Attentat bei seinen eigenen Anhängern geradezu Legendenstatus erreicht.

Musk will von Bidens Rückzug gewusst haben

Der Tech-Milliardär Elon Musk schrieb auf der Plattform X, dass er bereits vergangene Woche gehört habe, dass Joe Biden sich genau zu diesem Zeitpunkt zurückziehen würde. Angeblich war das in DC allgemein bekannt. „Die wahren Kräfte an der Macht entledigen sich der alten Marionette zugunsten einer, die eine bessere Chance hat, die Öffentlichkeit zu täuschen. Sie fürchten Trump, weil er keine Marionette ist.“

Deutschland atmet nach Bidens Ankündigung auf

Die deutsche Politik verfolgt die dramatischen Tage des amerikanischen Wahlkampfs angespannt. Aus den Reaktionen auf den Rückzug des altersschwach wirkenden Amtsinhabers Joe Biden spricht Erleichterung. Doch ob es den US-Demokraten gelingt, den Wahlkampf noch zu drehen und Donald Trump als neuen Präsidenten zu verhindern, mag niemand mit Gewissheit sagen. 

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb auf der Plattform X, Bidens Entscheidung, nicht noch einmal anzutreten, verdiene „Anerkennung“. 

Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und CDU-Chef Friedrich Merz zollten Biden ebenfalls Respekt für diesen Entschluss. Für Deutschland und Europa ist es wichtig, dass es nun wieder „ein offenes Präsidentschaftsrennen“ gebe.

Ukraine, Raketenschutz, Nato – für Deutschland und Europa hat das US-Wahlergebnis große Auswirkungen.

Nach dem Rückzug von Joe Biden aus dem Rennen um die US-Präsidentschaft rechnet man nun mit einem spannenden Wahlkampf. „Bidens Ankündigung eröffnet das Rennen um die Präsidentschaft neu und bringt so eine grundlegend veränderte Dynamik in den Wahlkampf“, teilte Michael Link (FDP) mit. Der Rückzug Bidens verdiene allergrößten Respekt. Link würdigte dessen Verdienste um die transatlantischen Beziehungen. „Gerade im sicherheitspolitischen Bereich hat er nichts unversucht gelassen, die Partnerschaft weitsichtig zu intensivieren und die Abschreckungsfähigkeit der Nato zu stärken, wie erst jüngst durch die Ankündigung der Stationierung von Marschflugkörpern in Deutschland.“

Selenskyj schrieb auf X: „Die Ukraine ist Präsident Biden für seine unerschütterliche Unterstützung des ukrainischen Freiheitskampfes dankbar“. Biden habe auf schwierige Zeiten mit mutigen Schritten reagiert und man respektiere seine schwere Entscheidung, nicht zur Wiederwahl anzutreten. Die USA sind der stärkste Unterstützer der Ukraine gegen den seit Februar 2022 andauernden russischen Angriffskrieg. Nicht nur in der Ukraine hofft man nun, dass die starke Führung Amerikas auch weiterhin dazu beitragen wird, dass das „Böse aus Russland“ keinen Erfolg haben wird.

Der Kreml reagierte zunächst zurückhaltend. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Biden einmal als berechenbaren Kandidaten bezeichnet, der für Russland vorzuziehen sei. Daran erinnerte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Russland möchte sich deshalb in Geduld üben und genau beobachten, was als nächstes passiert. Das Erreichen der Ziele des Angriffskrieges gegen die Ukraine hat seinen Aussagen zufolge derzeit oberste Priorität.

So reagieren die Märkte auf Bidens Rückzug

Nach der sehr schwachen Vorwoche ging der DAX am Montag auf Erholungskurs. Zu Handelsbeginn notierte der deutsche Leitindex zwar kurz im Minus, drehte dann aber schnell ins Plus und baute seine Gewinne sichtlich aus. Er schloss mit einem Plus von 1,29 Prozent bei 18.407,07 Punkten.

Ein Ereignis wie das Ausscheiden eines US-Präsidentschaftskandidaten kurz vor der Wahl würde normalerweise Unsicherheit und Marktvolatilität bei den Anlegern auslösen, aber nicht dieses Mal. 

An der Wall Street hatte sich am Freitag die Korrektur der Rekord-Rallye fortgesetzt. Mit Spannung wurde daher der Wochenauftakt und die Reaktion der US-Börsen auf den Rückzug des amtierenden Präsidenten Joe Biden aus dem Präsidentschaftswahlkampf erwartet. Nach dem Attentat auf Trump vor einer Woche schienen Trumps Chancen zuletzt immens gestiegen zu sein. Doch nun werden die Karten neu gemischt.

Der Dow Jones Industrial notierte zuletzt 0,32 Prozent höher bei 40.415,44 Punkten. Der Technologieindex NASDAQ Composite zeigte am Montag nach seinem Wochenverlust von vier Prozent eine Gegenbewegung nach oben. Er beendete den Handel mit einem Plus von 1,58 Prozent bei 18.007,57 Punkten.

Die Aktie von Trump Media & Technology schickten Anleger zum Wochenauftakt an der NASDAQ um 0,83 Prozent auf 34,70 Dollar ins Minus.

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