Lebensversicherungen auf dem Prüfstand
Ein Expertengespräch mit Felix Früchtl über schlechte Policen und hohe Rückkaufswerte
Lebensversicherungen sind ein zentraler Bestandteil vieler Finanzpläne, doch ihre Komplexität kann oft verwirrend sein. Um Licht ins Dunkel der verschiedenen Policen, ihre Vorzüge und Herausforderungen zu bringen, haben wir Felix Früchtl, Geschäftsführer von ProLife und erfahrener Experte im Bereich der Lebensversicherungen, zu einem ausführlichen Gespräch eingeladen. In diesem Interview werden wir die Nuancen der Lebensversicherungen erörtern und besprechen, welche Schritte unternommen werden können, wenn eine bestehende Versicherung nicht den Erwartungen entspricht.
Redaktion: Herr Früchtl, können Sie uns zunächst erklären, was eine Kapitallebensversicherung ist und wie sie sich von einer Risikolebensversicherung unterscheidet?
Felix Früchtl: Eine Kapitallebensversicherung bietet neben der Risikoabsicherung auch eine Spar- oder Anlagekomponente. Die von den Versicherungsnehmern gezahlten Prämien werden dabei in zwei Hauptteile aufgeteilt: einen Teil, der als Sparanteil fungiert, und einen anderen, der den Risikoschutz abdeckt. Der Sparanteil wird von der Versicherungsgesellschaft oft in festverzinslichen Wertpapieren oder anderen Anlageformen investiert. Über die Laufzeit des Vertrages hinweg akkumuliert dieser Sparanteil einen Wert, der dem Versicherten bei Ablauf oder den Erben im Todesfall ausgezahlt wird. Dies kann als Altersvorsorge dienen oder zur Finanzierung größerer Lebensereignisse verwendet werden. Der Risikoanteil hingegen bietet finanziellen Schutz im Todesfall und sichert den Hinterbliebenen eine finanzielle Unterstützung zu.
Im Gegensatz dazu dient die Risikolebensversicherung ausschließlich der Absicherung des Todesfallrisikos, ohne einen Sparanteil zu integrieren. Sie ist daher in der Regel kostengünstiger in Bezug auf die Prämien, da die Beiträge ausschließlich dazu verwendet werden, das Risiko des vorzeitigen Todes des Versicherten abzusichern. Die Versicherung zahlt im Todesfall die vereinbarte Summe aus, wobei der Vertrag ohne weitere Leistungen endet, falls der Versicherungsnehmer das Ende der Vertragslaufzeit erlebt.
Redaktion: Klingt beides gar nicht schlecht. Wie finde ich heraus, was für mich am besten passt?
Felix Früchtl: Die Entscheidung, ob eine Kapital- oder eine Risikolebensversicherung die bessere Wahl ist, hängt stark von den persönlichen und finanziellen Umständen des Einzelnen ab. Menschen, die einen finanziellen Schutz für ihre Familie im Falle ihres Todes suchen und zugleich eine Form der Kapitalbildung wünschen, könnten die Kapitallebensversicherung bevorzugen. Andererseits mag die Risikolebensversicherung für diejenigen attraktiver sein, die einen kosteneffektiven Weg suchen, um im Todesfall für ihre Angehörigen zu sorgen, besonders wenn sie bereits anderweitige Investitionen für die Vermögensbildung getätigt haben.
Redaktion: Wie verbreitet sind diese Versicherungsarten in Deutschland, und welche Trends sehen Sie in der Branche?
Felix Früchtl: Lebensversicherungen sind in Deutschland ein fester Bestandteil der finanziellen Planung vieler Haushalte. Das zeigt auch ein aktueller Bericht des GDV. Darin sind 81,8 Millionen Verträge verzeichnet. In den letzten Jahren beobachten wir einen deutlichen Trend hin zu mehr Transparenz und Flexibilität in der Lebensversicherungsbranche. Doch angesichts des anhaltend niedrigen Zinsniveaus werden viele Kunden zunehmend kritischer hinsichtlich der Effizienz ihrer Lebensversicherungspolicen. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass ein wachsender Anteil der Verbraucher nach Produkten sucht, die nicht nur transparenter in ihren Bedingungen und Kostenstrukturen sind, sondern auch effizienter im Hinblick auf die Kapitalanlage und Renditeerzielung.
Redaktion: Tut sich denn was, wenn die Nachfrage steigt? Gibt es Produkte, die auch bei niedrigem Zinsniveau eine gute Rendite erzielen?
Felix Früchtl: Die Nachfrage nach transparenteren und kosteneffektiveren Produkten ist besonders in Zeiten niedriger Zinsen von Bedeutung, da traditionelle Lebensversicherungsmodelle mit garantierten Zinssätzen unter Druck geraten. Versicherungsnehmer, die früher von sicheren und attraktiven Renditen durch ihre Lebensversicherungen ausgegangen sind, finden sich nun in einer Situation wieder, in der die tatsächlichen Erträge ihrer Kapitalanlagen hinter den Erwartungen zurückbleiben. Dies führt zu einer verstärkten Nachfrage nach Alternativen, die eine höhere Flexibilität in der Kapitalanlage bieten, wie beispielsweise fondsgebundene Lebensversicherungen, die direkt in Aktien- oder Anleihemärkte investieren und das Potenzial für höhere Erträge bieten, allerdings auch mit einem höheren Risiko verbunden sind.
Zusätzlich dazu fordern Verbraucher verstärkt Produkte, die ihnen erlauben, ihre Investitionsentscheidungen besser zu kontrollieren und die an ihre persönlichen Risikoprofile und Lebensphasen angepasst sind. Viele Versicherungsunternehmen reagieren auf diese Nachfrage mit der Einführung von modularen Policen, die individuell konfigurierbare Optionen für Investitionen, Risikoschutz und Laufzeiten bieten. Diese Policen ermöglichen es den Kunden, ihre Versicherungsdeckung im Laufe des Lebens an veränderte Bedingungen wie Familienstand, Berufsleben und Altersvorsorge anzupassen.
Redaktion: Es gibt also den Wunsch nach mehr Transparenz und Effizienz. Was sind denn die Hauptkritikpunkte bei Kapitallebensversicherungen?
Felix Früchtl: Der größte Kritikpunkt an Kapitallebensversicherungen ist tatsächlich oft das Kosten-Nutzen-Verhältnis. Auf der einen Seite können junge Leute mit wenigen Euro im Monat 6-stellige Summen über eine reine Risikolebensversicherung absichern. Auf der anderen Seite können durch die Kombination von Spar- und Risikoelementen diese Policen teuer und ineffizient sein, was zu einem erheblichen Problem für die Versicherungsnehmer führen kann. Die Kostenquoten der Kombiprodukte liegen bei rund 25 – 40 Prozent des Beitrages. Ergo kommen nur rund 60 – 75 Prozent des Beitrages wirklich in der Veranlagung an. Hohe Verwaltungs- und Abschlusskosten sowie die Kosten für die Risikoabsicherung selbst schmälern darüber hinaus die Rendite, die Kunden aus ihren eingezahlten Beiträgen erzielen können. Diese Kostenstrukturen sind oft nicht ausreichend transparent, was es den Kunden schwierig macht, die tatsächlichen Kosten und den realen Wert ihrer Investitionen zu verstehen.
Redaktion: Und dann kommen noch die niedrigen Zinsen hinzu.
Felix Früchtl: Genau. Die in den Policen eingebundenen Investitionsstrategien können in einem niedrigen Zinsumfeld nicht ausreichend rentabel sein, um die hohen Kosten auszugleichen. Dies wird besonders deutlich in Phasen, in denen die Märkte stagnieren oder die Zinsen besonders niedrig sind. In solchen Zeiten werden die geringen Erträge aus den Kapitalanlagen der Versicherungsgesellschaften nicht nur durch die Inflation aufgezehrt, sondern lassen auch kaum Spielraum, um nach Abzug der Kosten eine positive Realrendite zu erwirtschaften.
Redaktion: Das hört sich nicht so an, als ob die Produkte besonders auf die Kunden zugeschnitten sind. Wie sieht es denn aus mit der Flexibilität?
Felix Früchtl: Ja, die mangelnde Flexibilität ist ein weiterer Kritikpunkt. Viele Policen sind mit langen Laufzeiten und starren Bedingungen verbunden, die es den Versicherungsnehmern erschweren, auf Veränderungen in ihren persönlichen finanziellen Umständen zu reagieren. Möchten Kunden ihre Policen vorzeitig kündigen, sehen sie sich oft mit hohen Stornogebühren oder dem Verlust eines Großteils der eingezahlten Beiträge durch geringe Rückkaufswerte konfrontiert.
Diese Aspekte führen zunehmend dazu, dass Kunden und Finanzexperten die traditionellen Modelle der Lebensversicherung hinterfragen und nach alternativen Lösungen suchen, die eine größere Transparenz, Kosteneffizienz und Anpassungsfähigkeit bieten. Viele Versicherungsnehmer erkennen, dass eine klare Trennung zwischen Spar- und Risikokomponenten, wie sie bei Risikolebensversicherungen und separaten Anlageprodukten gegeben ist, oft eine bessere Kontrolle über die Kosten und die Anlagestrategie ermöglicht und letztendlich zu einer effizienteren Kapitalbildung führen kann.
Redaktion: Eine vorzeitige Kündigung ist also nicht unbedingt sinnvoll, da es hierbei zu Gebühren kommen kann. Gibt es denn sinnvolle Alternativen zur Kündigung einer Lebensversicherung, wenn ich mit der Police unzufrieden bin?
Felix Früchtl: Ja, eine Alternative zur herkömmlichen Kündigung einer Lebensversicherung ist die Beitragsfreistellung, bei der keine weiteren Prämien mehr gezahlt werden, die Police jedoch weiterhin besteht. Dies kann insbesondere dann vorteilhaft sein, wenn der Versicherungsnehmer vorübergehend finanzielle Engpässe erlebt, aber den Versicherungsschutz nicht vollständig aufgeben möchte. Bei der Beitragsfreistellung bleibt der Versicherungsschutz auf Basis des bis dahin angesammelten Kapitals erhalten, allerdings ohne dass sich dieses weiter durch Zahlungen erhöht. Allerdings ist es wichtig zu beachten, dass diese Option die zukünftigen Leistungen der Police beeinflussen kann, da keine weiteren Beiträge zur Kapitalbildung beitragen. So ist es möglich, dass die Police ins Minus rutscht, weil kein frisches Kapital mehr nachkommt, dass für die Kosten aufkommen kann. Daher müssen bei beitragsfrei gestellten Policen die anfallenden Kosten für Verwaltung, Vertrieb und Risiko aus dem vorhandenen Deckungsstock genommen werden, was bei ausbleibendem frischem Kapital zum Problem werden kann.
Redaktion: Keine besonders attraktive Lösung. Kann ich mich auch anders von schlechten Produkten trennen?
Felix Früchtl: Ja. Eine weitere Option ist der Verkauf der Police an spezialisierte Firmen wie ProLife, die im Ankauf von Lebensversicherungen tätig sind. Dies kann besonders attraktiv sein, da diese Unternehmen oft einen höheren Preis bieten als der Rückkaufwert, den die Versicherungsgesellschaft dem Versicherungsnehmer anbieten würde.
Redaktion: Dass ich meine Lebensversicherung verkaufen kann, gehört nicht unbedingt zum Allgemeinwissen. Wie funktioniert der Verkauf einer Lebensversicherung?
Felix Früchtl: Der Prozess verläuft immer individuell, da auch die Policen immer individuell abgeschlossen wurden. Und da die Käuferunternehmen alle Pflichten übernehmen und nach der Veräußerung als Inhaber gelten, kommt es vor allem auf die richtige Kommunikation an. So ermöglicht es dieser Prozess dem ursprünglichen Policeninhaber, eine sofortige Auszahlung zu erhalten, was insbesondere dann vorteilhaft ist, wenn die Alternative das Risiko hoher finanzieller Verluste durch eine Kündigung beinhalten würde.
Redaktion: Das klingt spannend. Was sind dabei die einzelnen Schritte?
Felix Früchtl: Der Verkaufsprozess selbst ist in der Regel unkompliziert. Nach der ersten Kontaktaufnahme mit einem potenziellen Käufer führt das Unternehmen eine gründliche Bewertung der Police durch. Dies umfasst welche Werte mittlerweile in der Police sind, welche Werte garantiert und nicht garantiert sind, wie lange die Laufzeit ist und welche Werte der Kunde im Vorfeld schon in die Versicherung eingezahlt hat. Wenn sich beide Parteien auf einen Preis einigen können, wird ein Kaufvertrag unterzeichnet, der die Übertragung der Rechte und Pflichten aus der Police an das kaufende Unternehmen regelt. Nach Abschluss dieser Transaktion erhält der Verkäufer die vereinbarte Summe, die häufig deutlich über dem liegt, was die ursprüngliche Versicherungsgesellschaft als Rückkaufswert angeboten hätte.
Dieser Prozess bietet nicht nur finanzielle Vorteile, sondern auch emotionale Erleichterung für viele Policeninhaber, die sich sonst mit dem Gedanken tragen müssten, eine wertvolle Ressource nicht ausreichend bewertet zu haben.
Redaktion: Worauf sollten Versicherungsnehmer achten, wenn sie erwägen, ihre Lebensversicherung zu verkaufen?
Felix Früchtl: Der Versicherungsnehmer sollte sicherstellen, dass alle vertraglichen Vereinbarungen klar und eindeutig sind. Es muss genau festgelegt werden, welche Rechte und Pflichten mit dem Verkauf der Police übertragen werden und welche finanziellen Konditionen gelten.
Außerdem: Wie sieht es mit der Risikoabsicherung aus? Gerade bei Kombipaketen könnte beispielsweise die Todesfallleistung wegfallen, die ursprünglich mit der Police verbunden war. Dies sollten Versicherungsnehmer im Blick haben.
Schließlich ist es von entscheidender Bedeutung, dass der Verkauf der Lebensversicherung im Rahmen einer umfassenden finanziellen Planung betrachtet wird.
Redaktion: Zum Abschluss, Herr Früchtl, was würden Sie einem Versicherungsnehmer empfehlen, der mit seiner bestehenden Lebensversicherung unzufrieden ist?
Felix Früchtl: Ich empfehle, die Police gründlich zu überprüfen und alle verfügbaren Optionen zu betrachten. Ein Verkauf der Lebensversicherung ist oftmals eine sehr gute Wahl, besonders wenn die Alternative bedeutet, hohe finanzielle Einbußen zu erleiden, wie es bei einer Kündigung oft der Fall ist. Insgesamt ist es wichtig, sich umfassend zu informieren und alle Aspekte zu berücksichtigen, einschließlich der möglichen steuerlichen Konsequenzen, der Auswirkungen auf die zukünftige finanzielle Planung und der Sicherheitsbedürfnisse der Familie.
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