Börsengang abgesagt: Europas Kapitalmärkte verlieren an Attraktivität

In Deutschland hat sich innerhalb einer Woche gleich zweimal das gleiche Szenario abgespielt: Ein geplanter Börsengang wurde kurzfristig abgesagt. Der Rückzug von Brainlab und Autodoc24 wirft ein Schlaglicht auf die aktuelle Schwäche europäischer Kapitalmärkte – und zeigt, warum der Schritt aufs Börsenparkett zunehmend vermieden wird.

Zweiter Börsengang abgesagt: Symptom einer größeren Marktunsicherheit

Dass ein Börsengang abgesagt wird, ist kein Einzelfall mehr. Im ersten Halbjahr 2025 sank die Zahl der Börsengänge weltweit, besonders stark in Europa. Während Brainlab noch wenige Tage vor dem geplanten Start große Erwartungen weckte, kam die kurzfristige Absage überraschend. Schon zuvor hatte Autodoc24 die Reißleine gezogen. Als Hauptgründe nennen die Unternehmen geopolitische Unsicherheiten und mangelndes Interesse von Investoren.

Ein Börsengang abgesagt bedeutet nicht nur finanzielle Einbußen, sondern auch einen Vertrauensverlust. Die Zurückhaltung hat strukturelle Ursachen: Europa fehlt es an Kapitalmarkttiefe und internationaler Sichtbarkeit. Der Rückstand gegenüber Asien und Nordamerika wächst.

USA und China dominieren das IPO-Geschehen

Während in Europa die Zahl der Börsengänge um 24 Prozent zurückging, legten China und die USA zu. Besonders US-Börsen wie die Nasdaq gelten als Magnet für internationale Unternehmen. Gründe dafür sind unter anderem bessere Rahmenbedingungen, geringere Regulierung und eine stärkere Investorenbasis. Ein weiterer Faktor: Fast 60 Prozent der US-IPOs stammen von ausländischen Unternehmen – ein Indiz für die globale Attraktivität amerikanischer Börsenplätze.

Auch deutsche Firmen wie BioNTech suchen gezielt den Weg nach New York. Der dortige Börsengang gilt nicht nur als Finanzierungsschritt, sondern auch als symbolischer Meilenstein für Unternehmer. Wenn ein Börsengang abgesagt wird, wie aktuell in Frankfurt, verstärkt das das Narrativ, dass Europa als Kapitalstandort an Relevanz verliert.

Fehlende Kapitalmarktunion bremst Europa aus

Ein zentrales Problem: Die fehlende Kapitalmarktunion. Solange in Europa nationale Alleingänge überwiegen, bleibt die Fragmentierung ein Hemmschuh für große Börsengänge. Die Folge: Unternehmen bleiben entweder im privaten Finanzierungskreislauf oder suchen ihr Glück in Übersee.

Hinzu kommt: Mittelständische Unternehmen in Deutschland greifen nach wie vor lieber auf Hausbankkredite zurück. Der Börsengang ist für viele kein strategisches Ziel, sondern eine Option, die mit hohen Hürden verbunden ist – regulatorisch, finanziell und kommunikativ.

Warum immer mehr Börsengänge abgesagt werden

Der Fall „Börsengang abgesagt“ ist längst keine Ausnahme mehr, sondern Ausdruck einer tiefgreifenden Marktdynamik. Solange sich das europäische Kapitalmarktumfeld nicht grundlegend verändert, dürfte der Trend anhalten. Internationale Investoren werden weiter ausweichen – in Richtung USA oder China.

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