Krise bei Volkswagen
Die Einführung der Vier-Tage-Woche hat schon einmal mit dazu beigetragen, eine Krise bei Volkswagen abzuwehren. Nun steht diese Maßnahme erneut zur Debatte. Angesichts der Krise signalisiert die IG Metall Offenheit hinsichtlich einer Wiedereinführung der Vier-Tage-Woche. An ihrer Lohnforderung hält sie dennoch fest. „Nichts unversucht lassen, um Beschäftigung zu sichern“, lautet die Maxime. Dazu könnte auch eine Arbeitszeitverkürzung gehören. Allerdings müsste Volkswagen dafür Bereitschaft signalisieren. Zuletzt hatte die Arbeitgeberseite kürzere Arbeitszeiten noch abgelehnt.
Vier-Tage-Woche im Gespräch
Die Vier-Tage-Woche gab es schon einmal in der Geschichte des Konzerns. 1994 führte man als Reaktion auf eine Absatzkrise eine Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich ein. Damals standen 30.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel, die mit dieser Maßnahme erhalten werden sollten. Erst seit 2006 gibt es bei VW wieder die Fünf-Tage-Woche. Seit damals besteht auch eine Beschäftigungsgarantie, doch die soll nun gekippt werden.
IG Metall bekräftigt Lohnforderung
Trotz der Verhandlungsbereitschaft verteidigt die IG Metall die geforderte Lohnseigerung von sieben Prozent – auch für die VW-Beschäftigten. Man betont, dass die Beschäftigten die Probleme nicht verursacht hätten, in denen der Konzern nun steckt. Die Lösung der Probleme darf deshalb nicht sein, dass ein seit 20 Jahren geltender Grundsatz jetzt aufgekündigt wird: Tarifforderungen und -abschlüsse müssen auch bei VW weiterhin im Gleichklang mit dem Rest der Branche erfolgen. Wann genau die Verhandlungen bei Volkswagen beginnen sollen, ist derzeit nicht bekannt.
Am kommenden Donnerstag beginnt die Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie in Niedersachsen. Über den VW-Haustarif sollte eigentlich erst ab Mitte oder Ende Oktober verhandelt werden, doch die IG Metall zeigte sich offen für schnelle Gespräche.
Schärferer Sparkurs
Am vergangenen Montag kündigte Europas größter Autobauer an, den Sparkurs bei der Kernmarke VW weiter verschärfen zu wollen. In diesem Zusammenhang möchte man auch den seit drei Jahrzehnten geltenden Vertrag zur Beschäftigungssicherung kündigen. Betriebsbedingte Kündigungen sind dann nicht mehr ausgeschlossen. Auch Werksschließungen zieht der Konzern in Betracht. Als Gründe für diese Überlegungen führte Konzernchef Oliver Blume die schwierige Lage auf dem europäischen Automarkt und eine nachlassende Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Produktionsstandorte an. Der Betriebsrat warf dem Management schwere Fehler vor und kündigte energischen Widerstand gegen derartige Maßnahmen an.
Ministerpräsident Weil rechnet nicht mit Werksschließungen
Ministerpräsident Stephan Weil sitzt im VW-Aufsichtsrat, das Land Niedersachsen ist Großaktionär. Von politischer Seite erwartet man, dass es Volkswagen gelingt, die aktuelle Krise ohne Werksschließungen abzuwenden. VW hat als ein sehr großes Unternehmen in einem noch viel größeren Konzern diverse Optionen. Bevor man Werksschließungen thematisiert, müssen alle anderen Optionen beleuchtet und analysiert werden. Das ist die Haltung der Politik.
Dass die Lage in der Autoindustrie schwieriger geworden ist, bestreitet indes niemand. Die Absatzzahlen der Autos sind rückläufig, die Konkurrenz wächst, vor allem die aus China. Dennoch ist es VW bei einigen Schlüsselprojekten nicht gelungen, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen, wie zum Beispiel bei der Softwareentwicklung.
Weil betonte, dass letzten Endes jedes Unternehmen wettbewerbsfähig sein muss. Damit das klappt, muss VW jetzt seine Hausaufgaben machen und in den nächsten Wochen die richtigen Gespräche führen: vertraulich, in Ruhe und vernünftig. Ziel sollte sein, die Verunsicherung der vielen Menschen, die tatsächlich betroffen sind, so schnell wie möglich zu beseitigen und ihnen Klarheit zu schenken.
Autobranche in der Krise
Experten befürchten, dass die Krise bei VW nur die Spitze des Eisbergs ist. Die komplette deutsche Autoindustrie leidet derzeit unter schwachen Absatzzahlen, vor allem bei Elektroautos. Nach Angaben des Ifo-Instituts blickt die Branche mit Sorge in die Zukunft. Im August erlebte sie einen Einbruch beim Neuwagenabsatz im Vergleich zum Vorjahresmonat. Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) belegen, dass die zuletzt schwache Nachfrage nach reinen Elektroautos der Grund dafür ist. Aber auch bei fast allen anderen Antriebsarten ist der Absatz rückläufig, zum Teil sogar stark. Bei den neuen Elektroautos betrug der Rückgang im Vergleich zum August 2023 rund 69 Prozent. Bei den Diesel-Pkw betrug das Minus 24,4 Prozent, bei den Benzinern 7,4 Prozent. Bei der Gesamtbetrachtung aller Antriebsarten wurden insgesamt 27,8 Prozent weniger Autos neu zugelassen, zeigen die Daten des KBA.
Schwachen Verkaufszahlen und pessimistischen Erwartungen zum Trotz besteht aber immer noch Grund zur Hoffnung. Darüber sind sich viele Experten einig. Die Automobilindustrie hat schon viele Krisen gemeistert. Die aktuelle Krise ist nicht die erste und es wird auch nicht die letzte sein. In der Vergangenheit konnte die deutsche Autoindustrie wiederholt beweisen, dass sie außergewöhnlich krisenresistent und innovationsstark ist. Diese Anpassungsfähigkeit half beispielsweise bei der Bewältigung der Lieferkettenprobleme der vergangenen Jahre oder bei der Entwicklung von Patenten für den elektrischen Antriebsstrang.
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